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Grüne chemische Energieträger, die mit erneuerbar erzeugtem Strom hergestellt werden, sind ein wichtiger zukünftiger Baustein der Energiewende. Sie werden vor allem für Prozesse und Verbraucher, die nur schwer durch Strom defossiliert werden können, und für die Speicherung von Energie zum Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch benötigt. Wir untersuchen mittels Modellrechnungen, die mit dem für diesen Zweck entwickelten Programm ReLoS (Renewable Lower Saxony) durchgeführt wurden, welche Mengen an Wasserstoff im niedersächsischen Energiesystem zukünftig eingesetzt werden könnten, wie sich dabei die Wasserstoffbereitstellung zwischen Import und inländischer Erzeugung aufteilt und in welchen Bereichen der Einsatz von Wasserstoff aus Energiesystemsicht sinnvoll ist. Wir führen eine techno-ökonomische Optimierung des gesamten niedersächsischen Energiesystems durch, welche eine Deckung der Bedarfe aller Sektoren unter Einhaltung der politisch vorgegebenen CO2-Minderungsziele sicherstellt. Dabei werden vermutete Akzeptanzgrenzen für den Ausbau der erneuerbaren Energien berücksichtigt. Die Abgabe von erneuerbarer Energie und Wasserstoff an andere Bundesländer wird vom Modell erlaubt und ist durch eine Näherung berücksichtigt. Das Modell rechnet die niedersächsische Energiewende mit stündlicher Zeitauflösung von 2018 bis 2050 und mit niedersächsischem Wetter. Eventuelle Engpässe und Mehrbedarfe, die durch den Energietransport entstehen, bleiben bis auf die Stromtransportverluste unberücksichtigt. Ein wichtiger Unsicherheitsfaktor bei der Optimierung ist die Unkenntnis des zukünftigen Importpreises für grünen Wasserstoff. Zum einen gibt es in der Literatur stark divergierende Annahmen und zum anderen zeigte sich in unseren Simulationen ein starker Einfluss des Importpreises auf den Gang einer techno-ökonomisch optimierten Energiewende. Ausgehend von einem Importpreis in Höhe von 5 €/kg in 2018 wurden daher drei Szenarien betrachtet, in denen der Importpreis für grünen Wasserstoff bis 2050 auf 50% sinkt (Szenario IG50), nur auf 75% sinkt (Szenario IG75) und konstant bei 5 €/kg bleibt (Szenario IG100). Der Preis für den importierten Wasserstoff ist bei weitem nicht die einzige unsichere Annahme in unserem Modell. Szenarien sind deshalb keine Vorhersagen der Zukunft. Die Szenarien in diesem Bericht beschreiben Energiesystem-Tansformationen, die im Rahmen getroffener Annahmen und unter Berücksichtigung einer im Programm hinterlegten Kostenfuktion kostenoptimal sind. Sämtliche Annahmen zu Kosten und weiteren Randbedingungen werden im Bericht daher erläutert. In allen drei Szenarien IG50, IG75 und IG100 zeigt sich eine hohe Bedeutung von Wasserstoff für das niedersächsische Energiesystem. Bereits im Jahr 2022 werden 7,4 TWh Wasserstoff eingesetzt und bis 2050 steigt dieser Wert auf 144 TWh. Die Importmenge im Jahr 2050 variiert zwischen 99 und 130 TWh, wobei mehr Wasserstoff importiert wird, wenn er günstiger ist. Die Menge an inländisch erzeugtem Wasserstoff im Jahr 2050 liegt in den drei Szenarien zwischen 24 und 40 TWh. Bereits im aktuellen Jahrzehnt ist es sinnvoll, einen großen Teil aus niedersächsischer Erzeugung mittels Elektrolyse bereitzustellen. Bis zum Jahr 2030 ist es nötig, dafür 8,5 GW Elektrolyseleistung (Ausgangsleistung) zu installieren. Im Falle hoher und mittlerer Kosten für den Wasserstoffimport werden danach nochmals 10 GW bis 2050 hinzugebaut. Nur bei niedrigen Importkosten verbleibt die Elektrolyseleistung langfristig auf dem Niveau von 2030. Der Speicherbedarf beträgt abhängig vom Importpreis des grünen Wasserstoffs 1 bis 5 TWh für einen als voll flexibel angenommenen Import und liegt bei 16 bis 21 TWh für einen statisch angenommenen Import. Solche Speicherkapazitäten sind in Niedersachsen vorhanden. Trotz der steigenden Elektrolyseleistung wird in allen Szenarien die Bereitstellung am Ende der Energiewende durch den Import von grünem Wasserstoff dominiert. Er macht im Jahr 2050 einen Anteil von 72% bis 84% aus. Damit hat der Wasserstoffimport auch einen sehr großen Einfluss auf die Gesamtsystemkosten, von denen er in 2050 46% bis 50% ausmacht. Zum Einsatz kommt der Wasserstoff im Jahr 2050 überwiegend in der Grundstoffindustrie (als Ersatz für fossile Rohstoffe) und in der Rückverstromung gespeicherten Wasserstoffs (zum Ausgleich der fluktuierenden erneuerbaren Stromerzeugung durch Wind und Sonne). Zur Deckung des Grundstoffbedarfs nimmt das Modell Wasserstoff als einzige emissionsfreie Option an. Dementsprechend liegt der Anteil am Ende des Transformationspfades in unserem Modell zwangsläufig bei 100%. Dieser Bereich wird vomm Optimierer jedoch als letzter Anwendungsbereich defossiliert, da sich hier die größten Mehrkosten ergeben. Es entsteht ein Bedarf von 53 TWh. Ein erheblicher Anteil des Wasserstoffs wird zur Rückverstromung eingesetzt. Die Menge liegt im Jahr 2050 bei 33 bis 37 TWh, wobei mehr Wasserstoff rückverstromt wird, je günstiger der Importpreis ist. Die benötigte Kraftwerksleistung liegt in allen Szenarien bei ca. 25 GW. Im Jahr 2050 werden 15% des Verkehrsaufkommens durch Brennstoffzellenfahrzeuge gedeckt. Dies führt zu einem Wasserstoffbedarf von 7 TWh. Die übrigen 85% werden durch batterieelektrische Fahrzeuge bedient. Dabei wurde angenommen, dass 15% des Verkehrsbedarfs aufgrund hoher Reichweiten oder Nutzlasten nicht durch batterieelektrische Fahrzeuge gedeckt werden können. Die Deckung des Bedarfs an Prozesswärme durch Wasserstoff ist abhängig vom Importpreis. Bei einem geringen Preis werden in 2050 35% des Bedarfs durch Wasserstoff gedeckt, bei einem hohen Preis nur 10%. Dies entspricht einem Bedarf von 3,5 bis 13 TWh. Zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser wird in einem techno-ökonomisch optimierten Energiesystem kein Wasserstoff verwendet. Hier dominiert aufgrund der hohen Jahresarbeitszahl die Wärmepumpe, die in Niedersachsen am Ende der Energiewende auf 30 GW ausgebaut wird. Die Szenariensimulationen zeigen, dass die in der Kostenoptimierung bevorzugte Energiequelle die Onshore-Windenergie ist. In allen Szenarien wird sie bis zum erlaubten Maximalwert von 30 GW in 2050 ausgebaut. Die angenommenen Akzeptanzgrenzen für den Ausbau der Onshore-Windenergie von 30 GW erfordern einen hohen Anteil der Photovoltaik an der niedersächsischen Energieerzeugung. Bei hohen und mittleren Importpreisen erreicht die Dachflächen- Photovoltaik am Ende der Energiewende eine installierte Leistung von 60 GW. Dieser Wert entspricht der oberen Grenze, welche das Modell aufgrund der derzeit zur Verfügung stehenden geeigneten Dachflächen setzt. Bei einem niedrigen Importpreis (IG50) reichen dagegen 20 GW Photovoltaik auf niedersächsischen Dächern. Bei hohen und mittleren Importpreisen wäre also ein stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien in Niedersachsen als auf 30 GW Wind Onshore und 60 GW PV auf Dächern sinnvoll.
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Publikationstyp: | Report |
Publikationsstatus: | publishedVersion |
Erstveröffentlichung: | 2021-06-30 |
Schlagwörter (deutsch): | Energiesystem, Niedersachsen, Wasserstoff, Erneuerbare Energien, Energiesystemtransformation, Klimaneutralität |
Schlagwörter (englisch): | energy system, lower-saxony, hydrogen, renewable energies, energy system transformation, climate neutrality |
Fachliche Zuordnung (DDC): | 600 | Technik |