In den letzten Jahrzehnten hat sich der innerdeutsche Hochschulwettbewerb durch eine Reihe von teilweise umstrittenen Veränderungen im deutschen Wissenschaftssystem intensiviert. Um in der gestiegenen Konkurrenz erfolgreich zu sein, ist für Hochschulen die Berufung exzellenter Wissenschaftler*innen auf Professuren wichtig. Hierzu gibt es finanzielle Unterstützung von Hochschulen bei Berufungs- und Bleibeverhandlungen mit Professoren*innen im Rahmen des sog. „Holen und Halten“ Programms. Eine wichtige Frage ist die Auswahl von Wissenschaftlern*innen für eine entsprechende Förderung. Dies erfolgt nicht nach einem festgeschriebenen Regelkatalog, sondern einzelfallabhängig. Die Kriterien, die bei der Entscheidung zur Fördermittelvergabe eine Rolle spielen, wurden bislang nicht untersucht. In dieser Studie wird durch leitfadengestützte Experteninterviews mit Präsidialmitgliedern von niedersächsischen Hochschulen, die in diesen Prozess involviert sind, der Frage nachgegangen, Welche Kriterien Einfluss auf die Auswahl von Professoren*innen für eine Förderung im „Holen und Halten“ Programm haben. Dies soll Auskünfte über die Besonderheiten der ausgewählten Professoren*innen, geben, bzw. Auskünfte darüber, was genau diese Personen ausmacht, dass sie für „Holen und Halten“ ausgewählt werden. Da es bisher keine entsprechenden Studien über diese konkrete Förderlinie gibt, ist das Ziel dieser Studie, zu verstehen, wofür und unter welchen Voraussetzungen diese öffentlichen Gelder ausgegeben werden. Diese Informationen können sowohl für die Forschung im Feld der Berufungsverfahren und des in diesem Zusammenhang stattfindenden Hochschulwettbewerbs um Wissenschaftler*innen von Interesse sein, als auch für die niedersächsische Politik, die so ihre eigene Förderlinie besser verstehen lernen und ggf. anpassen kann. Da die niedersächsischen Hochschulen im bundesvergleich eine begrenzte Wettbewerbsfähigkeit zu haben scheinen, müssen sie dem Matthäus-Effekt konkurrierender Hochschulen entgegenwirken. Es scheint, dass das „Holen und Halten“ Programm primär als Abwehrmechanismus gegen den Matthäus-Effekt verwendet wird. Es wird die Rolle des Matthäus-Effekts im Kontext von „Holen und Halten“ für den innerdeutschen Hochschulwettbewerb beleuchtet und die Ergebnisse insbesondere im Zusammenhang mit der vom Wissenschaftsrat 1985 prophezeiten „Provinzialisierung“ im Hochschulsystem und der Anhebung des Wettbewerbs im deutschen Wissenschaftssystem diskutiert.
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