Gegenstand dieser Arbeit ist die Auseinandersetzung zwischen den Erwartungen an Projekte der sogenannten „Entwicklung“ im ländlichen Bereich Boliviens und den überraschenden Ergebnissen, die diese Projekte in den Bäuerlichen Wirtschafts¬orga¬ni¬sati¬onen (OECA) erzielen. Solche Projekte zielen darauf ab, Bauern in Unternehmer und gemeinschaftliche Initiativen in profitable und moderne Unternehmen zu verwandeln im Namen der Entwicklung und des Wohlstands, ausgehend davon, daß dies möglich sei rein durch Anwendung von Technologie, Investitionen in Betriebe, Maschinenparks und Weiterverarbeitungsgeräten einschließlich administrativ - buchhalterischer Prozesse. In dieser Arbeit stelle ich die Annahme infrage, daß die Einführung von Maschinen und die Anwendung von administrativen Abläufen aus solchen Kleinbauern Unternehmer im marktwirtschaftlichen Sinn machen würde.
Anhand von zwei Fallstudien, Coraca Irupana y Coproca S.A., zeige ich zuerst auf, daß die scheinbar (vom Namen und der Form her) erlangte unternehmerische Institutionalität, bei der die Gesellschafter oder Eigentümer Kleinbauern sind, sich in eine Art verlängerter Arm der bäuerlichen Gemeinschaft verwandelt, die der unternehmerischen Dynamik eine andere Qualität und einen anderen Sinn verleiht, eben andere Werte, die im Gegensatz zu den marktwirtschaftlichen stehen; zum zweiten möchte ich beschreiben, wie die Bauernorganisationen die Erwartungen in „Unternehmensführung“ auf ihre Weise interpretieren und damit einen der großen Mythen unserer Zeit bloßstellen: die Rationalität der Marktwirtschaft, die offensichtlich nicht universell ist und auch nicht ein erstrebenswertes Ziel zu sein scheint für die in diesen Fallstudien involvierten Akteure. Drittens zeige ich, im Gegensatz zur Idee einer Gesellschaft mit festgelegten institutionellen Regeln, Aspekte für andere Formen der Organisation auf, die sich an Primärallianzen orientieren, häufig autoritär, charismatisch und weit entfernt von den Zielen wirtschaftlicher Effizienz.
Die Aufgabenstellung ist somit zweifacher Natur für diese und zukünftige Unter¬su¬chungen: auf der einen Seite die verschiedenen Juxtapositionen von wirtschaftlicher und nicht kapitalistischer politischer Institutionalität zu verstehen, die bisher als Epiphänomene oder sogar archaisch und in Auflösung befindlich betrachtet wurden. Auf der anderen Seite, den konzeptuellen Rahmen für diesen Verständnisprozeß zu überdenken und sogar neu zu schaffen, um in diesem Rahmen jene Widersprüchlich¬keiten als Ausgangspunkt zu begreifen und nicht als Abweichung, so wie die normative Sichtweise sie sieht
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