Zusammenfassung: | |
Im Laufe der vergangenen Jahre wurde umfangreicher Aufwand in die Forschung an leistungselektronischen Schaltungen und ihren Elementen investiert, um Leistung, elektrische Spannung und Taktfrequenz zu erhöhen und gleichzeitig das Bauvolumen und den Materialaufwand zu verringern. Es hat sich ein Optimierungswettlauf ergeben, bei dem Leistungshalbleiter die Schaltungen mit zuvor ungeahnten Frequenzen betreiben. Dabei wurde allerdings das Offensichtliche übersehen: leistungselektronische Schaltungen bestehen nicht nur aus Halbleitern, sondern auch aus passiven Komponenten, insbesondere Induktivitäten und Transformatoren.
Die für die Auslegung von moderner Leistungselektronik obligatorische ganzheitliche Betrachtung einer Schaltung stößt derzeit an die Grenzen der physikalischen Beschreibungsmöglichkeiten für magnetische Komponenten, bspw. Induktivitäten. Die Beteiligung an der Forschung ist international extrem dünn und es mangelt an grundlegenden(!) Modellen zur Beschreibung des Zusammenhang zwischen magnetischen Feldstärken und Flussdichten. Dieser Mangel ist nicht überraschend: bei den üblichen Anwendungen von magnetischen Komponenten handelt es sich um Induktivitäten und Transformatoren. Bei beiden lassen sich starke Vereinfachungen treffen, insbesondere ist die räumliche Orientierung des Magnetfeldes zeitlich konstant. Die Bedingung zur Vereinfachung und die Beschränkung auf lediglich diese beiden Arten von Komponenten sind weder physikalisch bedingt, noch sind sie technisch sinnvoll. Es sind zahlreiche weitere Anwendungen mit magnetischen Feldern denkbar, welche in dieser Arbeit nur angerissen werden (siehe Abschnitt 1.5, S 49). Denn bevor Erfindungen mit magnetischen Aufbauten gemacht werden, bedarf es einer Theorie zur Beschreibung solcher.
Während der Bearbeitungszeit der vorliegenden Masterarbeit haben einige Wissenschaftler vom KDEE-EVS der Universität Kassel, der Prüfer der Arbeit und die Autorin gemeinsam eine Recherche zum Stand der Wissenschaft durchgeführt, wobei zwar einige Ansätze und sogar Umsetzungen von Erfindungen mit magnetischen Aufbauten (außer Induktivitäten und Transformatoren) gefunden sind, aber nahezu keine Theorie. Das Ergebnis ist in [24] festgehalten und sollte dem Prüfer vorliegen. Das einzige Werk, welches sich intensiv mit der Theorie auseinandersetzt ist [31] aus dem Jahr 1977 und beinhaltet lediglich einen sehr einfachen Ansatz mit begrenzter Gültigkeit.
Der ernüchternde bisherige Forschungsstand wird in dieser Arbeit als Chance verstanden, an der Theorie zur Beschreibung beliebiger magnetischer Anordnungen zu forschen:
Zunächst werden die zum weiteren Verständnis notwendigen Grundlagen erläutert. Sie umfassen insbesondere die magnetische Netzwerktheorie und Feldtheorie. Dabei werden mächtige Möglichkeiten zur Nutzung dieser Grundlagen gezeigt, wie bspw. die Transformation zwischen elektrischen und magnetischen Netzwerkelementen. Es wird auch auf die bestehenden Modellierung magnetischer Komponenten eingegangen, wie sie in [31] vorgeschlagen sind. Außerdem wird ein Überblick über die mathematischen Methoden gegeben, welche für die Nutzung der Theorie notwendig sind, bspw. numerische Lösungsverfahren für Differentialgleichungen (DGL).
Um eine Theorie aufzustellen und diese anhand empirischer Messungen zu validieren, bedarf es einiger Laborgeräte und Materialien:
Es wird ein Messaufbau entwickelt, welcher elektrische Signale generieren und messen kann. Er ist auf die durchzuführenden Versuche optimiert und ermöglicht deshalb ein erhebliches Maß an Automatisierung. Damit werden der Autorin etliche Labortage erspart und es steht ein System zur Verfügung, welches in nachfolgenden Arbeiten wiederverwendet werden kann.
Die Herstellung bestimmter Geometrien aus ferromagnetischen Material bedarf eines Verfahrens zur Herstellung gekrümmter Eisenbleche. Weil in der kurzen Bearbeitungszeit das Verfahren nicht abschließend entwickelt werden kann, muss auf bestimmte Geometrien verzichtet werden. Das betrifft insbesondere den in [31] vorgeschlagenen Torus.
Selbst ein fundiertes Materialmodell bietet keinen Nutzen, wenn es keine Anwendung in einer Software zur Netzwerk- und Feldsimulation findet. Sie stellt die Schnittstelle zwischen einem Materialmodell, welches die intrinsischen Größen im Raum betrachet, und einem Netzwerkelementmodell, welches das Klemmenverhalten beschreibt, bereit. Zusätzlich kann sie sogar ein Netzwerkelementmodell in ein Netzwerk integrieren und somit eine komplette Anwendung simulieren! Die Software ist so flexibel programmiert, dass sie mit geringem Aufwand in nachfolgenden Arbeiten erweitert werden kann, sogar um ggf. notwendige Abhängigkeiten zu anderen Domänen der Physik, wie der Mechanik.
Nachdem alle Werkzeuge entwickelt sind, kann ein Versuch zur Beobachtung magnetischer Felder begonnen werden. Darin werden gezielt Situationen provoziert, welche sich mit den bislang zur Verfügung stehenden Modellen nicht oder nur unzureichend beschreiben lassen. Auf der Basis der Ergebnisse wird das in [31] vorgeschlagene Modell überprüft. Ein eigenes Modell ist im Rahmen dieser Arbeit nicht entwickelt und kann entsprechend nicht experimentell validiert werden.
Schließlich werden die Ergebnisse reflektiert. Weil sich ein großer Teil der Arbeit auf den Rahmen und die Werkzeuge rund um den Versuch beziehen und wenig eigentliche Versuche durchgeführt sind, wird insbesondere auf diese Werkzeuge und das theoretische Rahmenkonstrukt eingegangen.
Um der Erwartung der Lesenden gerecht zu werden, sei bereits vorab erwähnt, woher das Schlagwort "Orthogonale Magnetisierung" rührt, welches im Titel der Arbeit verwendet ist. Im folgenden Kapitel wird detailliert darauf eingegangen, wie magnetische Aufbauten modellierbar sind und es wird eine Definitionslücke gefunden. Diese tritt stets dann auf, wenn das Feld in einem magnetischen Material seine räumliche Orientierung ändert. Sie tritt auch dann auf, wenn zwei (oder mehr) magnetische Quellen (bspw. Permanentmagneten oder von elektrischen Strömen durchflossene Wicklungen) Felder verursachen, die nicht parallel oder antiparallel zu einander stehen. Eine kurze Übersicht über die Geschichte des Begriffs ist in [31] gegeben.
Für die eiligen Lesenden
Sollte der*die Leser*in lediglich an den Ergebnissen der Arbeit interessiert sein, welche einen wissenschaftlichen Mehrwert im Bereich der orthogonalen Magnetisierug liefern, sei er*sie auf die Seiten 154 bis 165 verwiesen.
An den entwickelten Werkzeugen Interessierte werden beim Messaufbau (siehe Abschnitt 2.3.2, S. 94) und bei der Software (siehe Abschnitt 4.3, S. 133) fündig. Sie seien außerdem auf die abstraktesten Definitionen magnetischer Netzwerkelemente hingewiesen (siehe Abschnitt 1.1.4, S. 19).
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Lizenzbestimmungen: | CC BY-NC 3.0 DE - http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/ |
Publikationstyp: | MasterThesis |
Publikationsstatus: | updatedVersion |
Erstveröffentlichung: | 2020-06-15 |
Schlagwörter (deutsch): | Orthogonale Magnetisierung, Vormagnetisierung, Magnetische Netzwerke, Versuchsstandentwicklung, Finite Differenzen Methode, Nichtlineare magnetische Materialien, Magnetische Flussinteraktion, Paraformer, Stellbare Drossel |
Schlagwörter (englisch): | Orthogonal Magnetization, Premagnetization, Magnetic Networks, test rig development, Finite Differences Method, Nonlinear magnetic materials, Magnetic flux interaction, Paraformer, adjustable choke |
Fachliche Zuordnung (DDC): | 600 | Technik, 620 | Ingenieurwissenschaften und Maschinenbau |
Zugehörige Materialien: | https://schulz.com.de/share/Modellierung-der-Orthogonalen-Magnetisierung-auf-Basis-empirischer-Materialuntersuchungen.pdf |