Wissenstransfer im Internet –

Drei Beispiele für neue wissenschaftliche Arbeitsmethoden
 
 
 
 
 
 
 

Inhalt

Einleitung

1) Virtuelles Studieren

2) Multimediale und interaktive Wege der Wissensvermittlung

3) Die Bedeutung des Usenet für die wissenschaftliche Arbeit

Fazit

Einleitung

Aus der Ausschreibung des Altdorfer Leibnizpreises 1999 für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler heraus entstand der Gedanke, das angegebene Thema "Die Bedeutung der neuen Informationstechniken für die Entwicklung der Wissenschaften" als Grundlage für unsere Hausarbeit zu verwenden. Im Rahmen des Seminars "Sprach- und Kommunikationswandel durch das Internet?" schränkten wir uns zunächst auf das Medium Internet, dann auf drei ganz spezifische Ausprägung davon ein, nämlich die Themen Virtuelles Studieren, Multimediale und interaktive Wege der Wissensvermittlung und Die Bedeutung des Usenet für die wissenschaftliche Arbeit.

Anhand dieser drei Themen werden wir im folgenden den Fragestellungen nachgehen, inwieweit sich die Techniken der Informationsbeschaffung und –verarbeitung im wissenschaftlichen Bereich durch das Medium Internet verändert haben und welchen Stellenwert sie in der heutigen Wissenschaft einnehmen.

Das Thema Virtuelles Studieren setzt sich mit räumlich und zeitlich flexiblen Lehrangeboten verschiedener Hochschulen, unter anderem der Fernuniversität Hagen, auseinander und beschäftigt sich mit den Perspektiven, die diese neue Lehrform den akademischen Institutionen eröffnet. Der Bereich Multimediale und interaktive Wege der Wissensvermittlung versucht einen Überblick über neue Formen des Bildungspotentials zu geben, die durch die Nutzung dieses Mediums entstehen, während das Kapitel Die Bedeutung des Usenet für die wissenschaftliche Arbeit die Vor- und Nachteile der Arbeit mit Newsgroups und die aktuelle Realisierung des wissenschaftlichen Informationsaustausches zum Thema hat.

Natürlich bot es sich bei dem Thema dieser Arbeit an, sie in Html zu erstellen, um so gleich die Möglichkeiten des Hypertextformates voll auszuschöpfen. Auf Frames und Graphiken wurde zugunsten der Lesbarkeit mit Textbrowsern und der Übertragunsgeschwindigkeit verzichtet, so wie das Html-Format es auch nötig machte, die Endnoten in gesonderten Dokumenten zusammenzufassen. Alle drei Arbeiten sind aufgrund der Übersichtlichkeit in einzelnen Unterordnern abgelegt.

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Virtuelles Studieren

Von Katja Eggers (EggersKat@aol.com)

Inhalt
 

1. Einleitung *

2. Virtuelles Studium als Weiterentwicklung des Fernstudiums *

3. Internetpräsenz deutscher Hochschulen *

4. Multimediale Lern- und Lehrangebote *

5. Voll-Virtualisierung ("It‘s all and only virtual") *

5.1. Fernuniversität Hagen *

6. Semi-Virtualisierung (Add-on- oder More Quality-Modell) *

6.1. Teleteaching-Projekte *

7. Uni der Zukunft – Zukunft der Uni? *

7.1. Vorteile *

7.2. Nachteile *

7.3. Perspektiven *

8. Zusammenfassung *

9. Link-Liste *

10. Literaturverzeichnis *
 
 

  1. Einleitung

  2. Die Einsatzmöglichkeiten des Mediums Internet scheinen keine Grenzen zu kennen. Neben der Wirtschaft und der Unterhaltung erobert auch die Bildung das Netz. Mit dem Einsatz der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien sind neue Möglichkeiten zur Wissensvermittlung sowie Änderungen und Hoffnungen auf Neu-Orientierung im gesamten Bildungswesen verbunden.

    Computertechnik und Informationsmedien durchdringend den studentischen Alltag und machen multimediales, virtuelles Lernen möglich. Schlagwörter wie "Hyperlearning", "Teleteaching", "Distance learning" und "Virtueller Campus" machen die Runde. Die Idee des Fernlehrens boomt, und die Folge sind eine unglaubliche Vielzahl von Online-Lehr- und Lernangeboten, bei der es schwer fällt, den Überblick zu bewahren. Die Zahl der akademischen Angebote im Internet wächst stetig. Immer mehr Universitäten bieten Seminare, Vorlesungen oder ganze Studiengänge über das Internet an.

    Die vorliegende Hausarbeit soll versuchen, ein wenig Licht in den "virtuellen Dschungel" zu bringen.

    Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des Fernlehrens, werde ich mich der aktuellen deutschen Universitätslandschaft widmen und zunächst auf die Internetpräsenz deutscher Hochschulen vergleichend eingehen.

    Im Anschluß daran soll eine Übersicht gegeben werden über verschiedene universitäre Multimedia-Lehr- und Lernangebote. Anhand ausgewählter Beispiele werden dann die zwei Grundmodelle virtuellen Lernens vorgestellt, wobei die Fernuniversität Hagen im Mittelpunkt steht.

    Mittels einer Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen des virtuellen Studierend soll im folgenden Kapitel herausgearbeitet werden, welche Chancen, Risiken und Perspektiven die "Uni der Zukunft" haben könnte bzw. hat und welche Rolle sie in der zukünftigen "Informationsgesellschaft" einnimmt.

    Die Arbeit wird durch eine Link-Liste abgerundet, die u.a. ausgewählte virtuelle Uni-Projekte, Internetartikel zum Thema und nützliche Links rund ums Studium beinhaltet.

    Es sei noch angemerkt, daß für die Gültigkeit der angeführten Links aufgrund der Dynamik des Mediums Internet keine Garantie gegeben werden kann.
     
     
     
     

  3. Virtuelles Studium als Weiterentwicklung des Fernstudiums

  4. Universitäten und Forschungseinrichtungen gelten als das "Urgestein des Internet"(1), denn sie waren die ersten, die von der Möglichkeit, Informationen im Internet frei zugänglich abzulegen, Gebrauch machten. Vor der eigentlichen "Entdeckung" und Kommerzialisierung des Internet bildeten Forscher mit ihrer Email-Kommunikation die größte Nutzergruppe der Datenwege. Zum Zwecke des Daten- und Informationsaustausches zwischen Wissenschaftlern und Studenten wurden diese Technologien ursprünglich entwickelt und bilden auch heute noch die Eckpfeiler der Verbreitung kostenlos abrufbarer Informationen.

    Die Gründe sind einfach: Wissenschaftler und Forscher haben selbst ein großes Interesse daran, ihre Arbeit möglichst schnell und möglichst weitreichend bekanntzumachen und zu publizieren (-Reputation). Durch Veröffentlichung im Internet können sie oft langwierige Herstellungsprozesse gedruckter Publikationen abkürzen und schon vorab mit Ergebnissen an die Öffentlichkeit treten

    Viele Forschungsergebnisse sind ohnehin durch Steuergelder finanziert; die Ergebnisse sollen daher auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

    Zudem liegt ein Großteil wissenschaftlicher Daten sowieso schon in computerlesbarer Form vor und kann deshalb leicht im Internet veröffentlicht werden – und ist so auch noch dem interessierten Laien zugänglich.

    Universitäten und Forschungseinrichtungen sind es auch, die die größte Erfahrung im Aufbau und in der Pflege von Internetdiensten haben.

    Die "Virtuellen Universitäten" (VUs) sind eine Weiterentwicklung des Fernstudiums, dessen Idee ja nicht neu ist. Ziel der Fernuni war es, eine Alternative zur Präsenzhochschule darzustellen, um diese zu entlasten und das Bildungsangebot in Deutschland zu erweitern. Im Laufe der Zeit sollte die Fernuni für die Präsenzuni in bestimmten Fächern Grundstudien und Brückenkurse anbieten und Kurse übernehmen, die nicht laborgebunden sind. Eine Kooperation zwischen Fernunis und anderen Hochschulen sowie eine Gleichwertigkeit von Direkt- und Fernstudium (gleichwertige Abschlüsse etc.) wurde angestrebt. Man sah das Fernstudium als "kostensparende Antwort auf die Kapazitätsprobleme und den Numerus clausus der Hochschulen" (2). Fernstudium stellte reinen Ersatz für Unterricht aufgrund von eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten von Lehrenden und Lernenden dar. Die Ziele, neue Möglichkeiten der Zeiteinteilung und der Leistungskurve des Einzelnen sowie Studienmöglichkeiten für Berufstätige, Hausfrauen, Behinderte, in NC-Fächern abgewiesene Studienbewerber, Deutsche im Ausland, Soldaten im Grundwehrdienst, Zivildienstleistende und Strafgefangene zu schaffen, sah man schon in den 80igern. Wie auch bei der VU galten und gelten als Zugangsvoraussetzungen Hoch- bzw. Fachhochschulreife, aber keine sonstigen Zulassungsbeschränkungen. Johannes Rauh definierte die Arbeitsweise der Fernuni folgendermaßen:

    Das Fernstudium basiert im Gegensatz zum Präsenz- oder Direktstudium auf dem Selbststudium, das aus der Ferne gesteuert wird. Es ist individualisiertes Studium mit freier Zeiteinteilung und kann an einem beliebigen Ort durchgeführt werden. Die Steuerung erfolgt durch Vorgaben für den Studieninhalt und planmäßige Führung und Korrektur aus der Ferne. Das auch im konventionellen Studiensystem übliche Selbststudium unterscheidet sich davon im wesentlichen dadurch, daß es ohne Anleitung und didaktische Hilfen erfolgt und daß eine Erfolgskontrolle nicht stattfindet."(3)

    Für die Defizite des Verzichts auf "studentisches Flair" (Feten, Kneipen, Gemeinschaften etc.) plante man derzeit sogenannte "Studienzentren"(4) als Stätten der Begegnung, des Kontaktes und des wissenschaftlichen Austausches. Diese Studienzentren dienten und dienen auch gegenwärtig zur Benutzung von Studienmaterialien, technischen Einrichtungen, Kommunikation untereinander, Beratung durch Verwaltung (Einschreibung, Gebührenabrechnung etc.), Betreuung durch Lehrpersonal und Absolvierung von Prüfungen. Man ging hier noch davon aus, daß nicht alle herkömmlichen Präsenzveranstaltungen im Fernunterricht durchgeführt werden können, insbesondere laborgebundene sowie klinsche Medizin. Das Fernstudium mußte durch Präsenzveranstaltungen ergänzt werden (Gruppenarbeit, Seminare, Praktika, persönliche Gespräche mit Dozenten etc.).
     
     

  5. Internetpräsenz deutscher Hochschulen

  6. Inzwischen sind die meisten Universitäten mit einer Selbstdarstellung via Homepage im Internet vom heimischen Computer abrufbar. Wenig Service, kaum Interaktion und mangelnde Internationalität der deutschen Internet-Seiten – zu diesem Ergebnis kam das Projektteam der Firma "ProfNet", das für die Zeitschrift ONLINE TODAY die Internetseiten von 259 deutschen Hochschulen verglich und bewertete.(5)

    Mitte August 1998 untersuchte "ProfNet" die Webauftritte nach 83 Kriterien, bei denen Inhalt, Interaktivität, Layout und Handling bewertet wurden. Bemängelte wurde vor allem, daß nicht einmal zwei Drittel der untersuchten Einrichtungen ihr Vorlesungsverzeichnis online präsentierten und nur die Hälfte der Hochschulen eine Suchmaschine zur Verfügung stelle. Über Auslandsstudien, BaföG-Zuwendungen oder Stipendien erfahre man zu wenig und Campus- oder Gebäudepläne sowie einfache Telefonverzeichnisse seien viel zu dünn gesät.

    Im Vergleich mit anderen Branchen schneiden die Hochschulen jedoch noch relativ gut ab, wobei die Gesamthochschulen von allen Hochschultypen die Nase vorn haben.

    Auf Platz 1 der "Rangliste" findet sich die Fernuniversität Gesamthochschule Hagen. Sie wurde als besonders "kundenorientiert", übersichtlich, optisch einheitlich klar und inhaltlich sehr gut bewertet und als "absolute Top-Site im Universum der Lernwilligen" betitelt.

    Die Universität Hannover belegte in diesem Test übrigens Platz 57. Positiv befand die Jury hier die Informationen für die Presse, die Suchmaschine, die Links zu Partnerhochschulen und den aktuellen Terminkalender, bemängelte aber den spartanischen Einsatz von Gestaltungselementen, der zwar die Ladezeiten verkürzt aber auch für Langeweile sorgt.

    Insgesamt ließe die Qualität des Internet-Studiums laut Expertenmeinung aber noch sehr zu wünschen übrig:

    Qualität des Internet-Studiums bedeutet eben nicht nur, Seminare ins Internet zu übertragen, Konferenzen und Chats mit wissenschaftlichen Themen zu veranstalten. Das ist erst der zweite Schritt. Qualität heißt zunächst, potentiellen Studierenden Orientierung zu geben, sie mit der neuen Lernumgebung vertraut zu machen und Barrieren abzubauen. "Support" lautet hier das entscheidende Stichwort. Was soviel heißt wie: Studierende in die spezielle Lernform einzuführen, jederzeit während des Kurses für technische Hilfe zu sorgen und immer wieder Tips zu geben. Das Online-Studium lebt von der Kommunikation! Wenn da nichts läuft, läßt das Interesse schneller nach, als man "Klick" machen kann (6).

     

  7. Multimediale Lern- und Lehrangebote

  8. Eine konventionelle Lehrveranstaltung ist geprägt durch festgelegte Termine und Räumlichkeiten. Der Lehrstoff wird meist durch Tafelanschrieb oder Overhead-Folien vermittelt. Praktische Beispiele und Vorführungen sind eher die Ausnahme. Durch die ständig zunehmende Menge an Wissen und Informationen wird es aber auch im Studium immer schwieriger, dieses Wissen zu vermitteln. Hier kann der Einsatz von vernetzten Rechnern eine sinnvolle Ergänzung sein. Auch weitgehend konventionelle Vorlesungen können durch die Einspielung von Videoaufzeichnugen oder die Projektion von Computer-Animationen bereichert werden.

    Durch das Ablegen von Skripten , Übungsblättern und vorlesungsbegleitenden Kursen auf einem Server erhalten die Studierenden darüber hinaus die Möglichkeit, an ihren PCs den Stoff der Vorlesung nachzubereiten und zu vertiefen. Übungsblätter können nicht nur übers Netz geholt, sondern auch online beantwortet und ggf. an den Betreuer zur Korrektur zurückgeschickt werden. Offene Fragen zum Vorlesungsstoff können in vorlesungsspezifischen Newsgroups zur Diskussion gestellt oder per Email an den Professor gesandt werden. Durch einen Online-Zugang zur Universitätsbibliothek sind jederzeit Abfragen zu Büchern möglich. Weiterführende Recherchen zu Vorlesungsthemen sind im Internet mit Hilfe von Suchmaschinen möglich. Es bieten sich also die unterschiedlichsten Möglichkeiten, um die neuen Technologien für Seminare oder Vorlesungen einzubinden.

    Die möglichen virtuellen Lehrangebote lassen sich unterscheiden nach asynchronen und synchronen Unterrichtsformen (7).

    Die asynchronen Unterrichtsformen haben den Vorteil des hohen Maßes an Selbstbestimmung und Freiheit bezüglich Ort, Zeit und Lerntempo. Die synchronen Unterrichtsformen setzen voraus, daß sich die Beteiligten zu einer bestimmten Zeit in einem virtuellen Raum treffen müssen (Real-Time-Kommunikation).

    Asynchron wären z.B. Tutorials (aufeinander aufbauende Lernmodule für das WWW oder CD-ROMs), Emails, Newsgroups und Mailinglisten, Virtuelles Teamwork über neue Softwarelösungen (Shared-Editing-Systeme), multimedia-unterstützte Vorlesungen (z.B. durch Folien-Inhalte, die auf einem Rechner abgelegt werden oder eingebaute Videosequenzen und Animationen), Online-Skripte und –Übungsblätter (Vorteile bezüglich Interaktivität und Wiederverwendbarkeit), z.B. experimentelle Aufgaben, Ankreuz-Aufgaben mit automatischer Auswertung.

    Online-Konferenzen über IRC-Server (Internet Relay Chat), Videokonferenzen und audiovisuelle Sprechstunden zählen hingegen zu den synchronen Lehrangeboten.

    Natürlich darf bei all der Begeisterung für den Einsatz von Multimedialem der Erstellungsaufwand für Lehrveranstaltungen im Internet nicht vergessen werden. Es erfordert sicherlich erheblich mehr Zeit, eine Lehrveranstaltung auszuarbeiten, die nicht nur aus einem "digitalisierten Skript" besteht, sondern tatsächlich auch die Möglichkeiten des Internets oder eines "virtuellen Hörsaals" nutzt. Die Motivation, derartiges Lehrmaterial häufig zu aktualisieren, dürfte gering sein. Auch die mit dem Internet verbundenen urheberrechtlichen Probleme sind noch weitgehend ungelöst.

    In der Fülle der Online-Lernangebote können grob zwei Grundmodelle(8) unterschieden werden, auf die nachfolgend näher eingegangen werden soll.
     
     

  9. Voll-Virtualisierung ("It‘s all and only virtual")

  10. Bei diesem Modell wird in unterschiedlicher Ausprägung und Stärke auf die Fortsetzung des klassischen Fernlehre-Ansatzes gesetzt, wie es z.B. die Fernuni Hagen praktiziert. Diese Projekte wollen mit Hilfe der neuen Technologien den Fernlehreansatz erweitern und verbessern und bewegen sich so in Richtung totale Virtualität bzw. "Voll-Virtualisierung".

    Insgesamt sind diese rein virtuellen Angebote (noch) sehr selten. In Deutschland ist die Fernuni Hagen die einzige voll-virtuelle Hochschule. In den USA wäre als Bsp. die University of Phoenix Online (http://www.uophx.edu/online/) zu nennen.

    Schon viel häufiger verbreitet sind verschieden angelegte Unterstufen in diesem Modell, bei dem an einer "realen" Universität oder Hochschule zusätzlich zu den Präsenzangeboten virtuelle Studiengänge oder einzelne virtuelle Kurse hinzukommen.

    Voll-virtuelle Kurse oder Studiengäne erfordern keinen Besuch vor Ort. Für die Abnahme von Prüfungen finden an den meisten Hochschulen jedoch als Präsenzveranstaltung statt.

    In Deutschland wird an vielen Universitäten mit dem Einrichten von virtuellen (Aufbau-) Studiengängen experimentiert, wie z. B. das Projekt "Lehre 2000" – Virtueller Studiengang Wirtschaftsinformatik http://lehre2000.iwi.uni-sb.de/docs_dt/html/index.html oder das Virtus-Projekt Köln http://www.virtus.uni-koeln.de/. Es kommt dabei aber auch durchaus vor, daß Projekte nach der Erprobungsphase nicht weiter fortgesetzt werden, wie z.B. das Aufbaustudium Informations- und Kommunikationssysteme der TU Chemnitz http://www.tu-chemnitz.de/home/iuk/iuk.html, welches insbesondere mit organisatorischen und rechtlichen Problemen zu kämpfen hatte.

    Der Telekurs "Typographie für Informationsfachleute" http://telekurs.fh-hannover.de/ , den die Fachhochschule Hannover im Fachbereich Informations- und Kommunikationswesen/Technische Redaktion anbietet, ist ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz internetgestützter Formen des Fernstudiums. Die Präsentation des Lernstoffes und die Kommunikation der Kursbeteiligten findet überwiegend über das Internet statt. Persönlich trifft man sich in der FHH lediglich zu einem eintägigen Startreffen und einem Abschlußkolloqium. Beim Starttreffen werden die Beteiligten in die Telekurstechnik und –methodik eingeführt; beim Abschlußtreffen präsentieren die Kursteilnehmer als Prüfung eine Hausarbeit. Dazwischen liegen acht bis zehn Wochen, in denen der Lernstoff der 6-12 wöchentlichen Web-Lektionen durchgegangen, die Begleitliteratur gelesen, die Hausaufgaben bearbeitet und an einem Diskussionsforum teilgenommen wird.

    Es besteht die Möglichkeit, eine Probelektion zum Thema "Mikrotypographie" aus dem Telekurs "Typographie für Informationsfachleute" http://telekurs.fh-hannover.de/probelektion.htm durchzuführen.

    Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, soll ausführlich lediglich noch die Fernuniversität Hagen betrachtet werden.

    1. Fernuniversität Hagen

    Projektbeschreibung

    Die Fernuni Hagen http://www.vus-fernuni-hagen.de/ hat derzeit im Bereich Fernstudium das umfangreichste Angebot an Studiengängen anzubieten und ist die führende deutsche Medienuniversität.

    Seit dem Wintersemester 1996/97 werden mit dem Projekt "Virtuelle Universität – Fernuniversität Online" neue Wege beschritten. Erstmals wurden alle Funktionen einer Universität integriert umgesetzt und ließen so ein vollständiges und homogenes System entstehen. Die konsequente Nutzung neuer Medien (Multimedia- und Kommunikationstechnologie) macht räumlich als auch zeitlich flexibles und bedarfsorientiertes Lernen möglich. Es wird nicht nur interaktives Lehrmaterial über die Datenautobahn verschickt, was ja viele Universitäten inzwischen als Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen tun, sondern auch Kommunikation zwischen den Studierenden untereinander und gemeinsames Lernen (peer learning) über das Netz möglich gemacht. Über übliche PCs wird "multimediamäßig" aufbereitetes Lehrmaterial (Kurse, interaktive Videos, Computer Based Trainig, Lernspiele, Aufgabentrainer, Simulationspakete, Experimentiersoftware, Animationen als auch Printmedienausdruck) bezogen, in Bibliotheken recherchiert, Auskunft eingeholt, experimentiert und kommuniziert. Die Lehrmaterialien lassen sich entweder online einsehen oder auf den eigenen Rechner herunterunterladen, um Telefonkosten zu sparen. Insbesondere Internet und ISDN als auch netzbasiertes Videoconferencing werden genutzt: Wie an Präsenzuniversitäten halten Studierende Referate, der Vortrag und die anschließende Diskussion erfolgen dann aber per Videoübertragung. Am 16.8.97 fand auf diese Art und Weise die größte interaktive Multi-Point-Videokonferenz . http://artus.fernuni-hagen.de/zeitungsberichte/uni1.htm im Hochschulbereich statt.

    Um die für die Studierenden anfallenden Kosten macht man sich generell keine Sorgen, da der "typische" Fernstudent berufstätig ist und ein festes Einkommen hat und davon ausgegangen wird, daß der Informatik- oder Elektrotechnikstudent ohnehin technisch gut ausgestattet ist.

    Wer weniger gut ausgestattet ist, kann sich zu Semesterbeginn in einem Studienzentrum informieren und trainieren lassen. Hier helfen Ansprechpartner auch bei akuten Fragen.

    Grundsätzlich kann die Software für den Zugang zur VU als Free- oder Shareware vom Hagener Rechner heruntergeladen werden. Während Freeware dauerhaft kostenlos benutzt werden darf, wird bei Shareware von der Herstellerfirma nach dem Test des Programms eine Nutzungsgebühr erwartet. Das Studium selbst ist kostenlos, es werden aber für jeden Kurs Versandkosten für die Studienmaterialien erhoben. Hinzu kommen , sofern nicht vorhanden, die Anschaffung eines Computers (mit CD-ROM-Laufwerk, Soundkarte, Mikrofon und Modem) und die Telefon- und Providergebühren, die den Internetzugang ermöglichen. Videokameras und Mikrofone verleiht die Fernuni bei Bedarf.

    Um das Angebot der VU nutzen zu können, benötigt man einen registrierten Zugang, d.h. man muß an der Fernuni eingeschrieben sein. Zum Betrachten der Virtuellen Universität (VU) wird ein Browser, der Frames darstellen kann; benötigt; Java und Java Script müssen aktiviert sein, z.B. Netscape 3.0 oder Microsoft Internet Explorer. Der Zugriff erfolgt dann – wie heutzutage schon üblich – über die Homepage http://vus-fernuni-hagen.de.

    Benutzeroberfläche

    Das Web-Angebot der VU unterscheidet nach nicht registrierten Besuchern (öffentlicher Bereich) und registrierten Fernstudenten (passwortgeschützter Bereich). Auf der Startseite werden eine Reihe von Elementen angeboten, die in die einzelnen Bereiche der VU führen und die man über Symbole anklicken kann.

    Das Büro bietet Zugang zu den administrativen Funktionen: Organisatorisches, wie die Belegung von Kursen, Rückmeldung, Änderung persönlicher Daten, Anmeldung zu Klausuren als auch die Anmeldung zu einem registrierten Zugang zur VU finden über Email statt.

    Im Bereich Forschung werden aktuelle wissenschaftliche Fragen diskutiert, Forschungsschwerpunkte präsentiert und Forschungsergebnisse veröffentlicht, was nicht nur für die Forschenden der Universität, sondern auch für Diplomanden, Doktoranden und Projektgruppen wichtig ist. Von hier aus gelangt man zu den jeweiligen Fachbereichen. Zur Zeit angeboten werden: Informatik, Elektrotechnik, Wirtschaftswissenschaften, Rechtswisenschaften, Mathematik und ESGW (Erziehungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften.

    Im Shop können alle käuflichen Materialien der Fernuni durchgesehen und mittels Bestellformularen bestellt werden (z.B. Software, Videos, Brückenkurse, Online-Demos, CD-ROMs, Booklets, Disks...).

    Über den Bereich Lehre haben Studierende Zugang zu Lehrveranstaltungen, Vorlesungen, Seminaren, Praktika, Prüfungen und Übungsgruppen der einzelnen Fachbereiche und Weiterbildungsveranstaltungen. Außerdem erhält der nicht registrierte Besucher hier die Möglichkeit, einen kleinen, aber repräsentativen Ausschnitt aus dem Lehrangebot der VU einzusehen und Demo- Lehrmaterialien und –Veranstaltungen auszuprobieren.

    Der Klick auf das Element Information führt zu einem Informationssystem und verweist auf die entsprechenden Informationsseiten. Bei Bedarf wird zu menschlichen Beratern durchgestellt. Über "guided tours" werden am Fernstudium interessierte Besucher über den virtuellen Universitätscampus geführt.

    Im Bereich News kann man aktuelle Informationen abrufen: Ein "Schwarzes Brett" liefert das Neueste aus der Fernuni, "Net News" sind Diskussions- und Informationsforen, die vom Lehrgebiet Psychologie zusammengestellt wurden, und Hilfe bei der Suche nach Newsgruppen bietet ein Klick auf "Deja News" (Suchmaschine). Studierende werden hier unterstützt bei der Auswahl relevanter Informationen.

    Der Bereich Bibliothek führt zu einer Auflistung von WWW-Online-Bibliothekskatalogen (Deutschland, Österreich, Schweiz); Gutenberg Projekt, Elektronischen Buchhandlungen und dem Karlsruher Virtuellen Katalog. Über diesen Zugang gelangen die Studierenden bequem zu traditionellen und digitalen Bibliotheken, um zu recherchieren, Bücher vorzumerken oder zu bestellen etc. Es können über die Bibliothek auch Bücher oder Artikel eingesehen und auf das lokale System übertragen werden, die in digitaler Form vorliegen.

    Besonders interessant, da ungewöhnlich, ist die virtuelle Cafeteria: Dieses Forum dient als Treffpunkt der Studierenden und ermöglicht Smalltalk über interne Newsgroups und die Diskussion von Fragen jeglicher Art. In Pinboards können Studierende Nachrichten posten und Tips beziehen. Web Chat, Café News, Asta News, Studienberatung News und elektronisches Café sind im Kommunikationsangebot enthalten. Außerdem gibt es einen "Kleinanzeigenmarkt", "Mitfahrangebote" und sogar die Rubriken "Spiele" und "Witze". Lernkontakte und Gruppendynamik gelangen so an die heimischen Computer und sollen die klassischen Nachteile des Fernstudiums, wie Einzelkämpfertum und Isolation, beseitigen.

    Da das Projekt "VU" alle wichtigen Funktionen einer Universität mit Hilfe von Netzen umsetzt, sieht man "eine völlig neue Perspektive hinsichtlich der Qualität, der Individualisierung, der Bedarfsorientierung und der sozialen Vernetzung (...) und eine konsequente Antwort auf die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt an die Bildungssysteme" (9).

    Noch müssen die meisten Studenten persönlich zur Prüfung erscheinen in einem der Studienzentren. Geplant ist aber, daß dies zukünftig auch mit Hilfe von Mikrofonen und Kamera von zu Hause aus möglich sein soll, um Online-Studenten lange und teure Anfahrten zu ersparen. Die Durchführung virtueller Praktika ist das nächste Ziel der Fernuni.

    Auch heimische Unternehmen und Firmen versprechen sich vom Konzept der VU großen Nutzen.(10). Medien und Studierende bewerteten die VU der Fernuni Hagen ebenfalls positiv (s. dazu auch den dortigen Pressespiegel und die Studierendenreaktionen).

    Zwischenergebnisse der Studienbefragung zur VU

    Seit Beginn des Wintersemesters 1996/97 wurde fortlaufend eine Befragung der Studierenden durchgeführt, um anhand der Ergebnisse das Angbebot der VU besser an die Bedürfnisse der Studierenden anzupassen. Um zu zeigen, welche Akzeptanz die VU bei Fernstudenten findet und wie diese das neue Projekt bewerten, sollen die vorliegenden Zwischenergebnisse der Umfrage kurz zusammenfassend dargestellt werden.

    Die Hälfte der befragten Studierenden der VU ist 31-40 Jahre alt (51%) und überwiegend männlich (83%). Die meisten sind entweder Vollzeit- oder Teilzeitstudenten; Studiengangszweithörer, Kurszweithörer und Gasthörer sind eher die Ausnahme. Als Studienziel wurde von 75% der Befragten ein Diplomabschluß angegeben; 25% nutzen die VU zur Weiterbildung. Die meist besuchten Fachbereiche sind Wirtschaftswissenschaften (über 45%) und Informatik (ca. 35%); ESGW und Elektrotechnik werden noch selten besucht.

    Die Umfrage erfragte außerdem die technische Ausstattung der Fernstudierenden. Demnach besitzen 83% einen Computer, 17% nicht. Die am häufigsten genannten Betriebssysteme waren Win95, Windows3.x und WinNT. 55% der Befragten haben einen Rechner, der mit CDROM ausgestattet ist, 55% besitzen einen Farbmonitor, 70% eine Soundkarte, nur 3% eine ISDN-Karte. Immerhin 55% gaben an, keine Lautsprecherboxen zur Verfügung zu haben.

    Anhand einer Notenskala von 1-6 (1="Bin Experte", 6="Kenne ich nicht") sollten die Studierenden ihre Kenntnisse bezüglich der angegebenen Internetdienste einschätzen. Mit Email hatten die meisten Befragten Erfahrung. InternetRelayChat, Audio- und Videokonferenzen wurden noch selten genutzt. Als die häufigsten Kommunikationsarten wurden News (ca. 43%), Videokonferenzen (ca.24%) und Email (ca. 21%) genannt, wenn diese zur Verfügung stünden.

    Mit einer Skala von 1-10 (1="trifft genau für mich zu", 10="trifft für mich nicht zu") wurden die Studierenden aufgefordert, die Problematik verschiedener Bereiche des Fernstudiums zu bewerten. Nur 1% sah die Aktualität der gedruckten Lehrmaterialien voll gewährleistet, die meisten der Befragten waren einigermaßen zufrieden damit. Für das Statement "Die Gebühren der Fernuniversität sind angemessen" wurden alle Noten mehr oder weniger gleich vergeben. Auch über die Präsenzphasen gab es unterschiedliche Angaben. Die meisten Befragten stimmt zu, daß die Fernuni für sie teilweise recht anonym sei. Die Mehrheit würde ein gemeinsames Arbeiten und Lernen in Arbeitsgruppen mit anderen Studierenden begrüßen. Die Gelegenheit zur Schließung und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte zwischen den Studierenden wurde als eher rar bewertet.

    Die Ergebnisse zu den Fragen zur Erwartung an eine VU (Forderungen, Wünsche etc.) liegen leider noch nicht online vor.

    Insgesamt betrachtet, fällt auf, daß die größte Problematik der VU Anonymität und mangelnde soziale Kontaktmöglichkeiten sind. Im Kapitel 7 wird auf diese Thematik im Zusammenhang einer Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Online-Unis noch detaillierter eingegangen.
     
     

  11. Semi-Virtualisierung (Add-on- oder More Quality-Modell)

  12. Hierbei handelt es sich um Projekte, in denen die klassische Lern- und Lehrform nur durch den Einsatz neuer Technologien ergänzt werden solle mit dem Ziel, das bereits bestehende und ganz normale Studienangebot qualitativ zu verbessern.

    Reale sowie virtuelle Lehr- und Lernorte und –methoden werden verknüpft: Es besteht z. B. die Möglichkeit, Experten die über Videokonferenzen in ein Seminar zugeschaltet sind, in Diskussionen miteinzubeziehen, Diskussionen in Newsgroups hinein zu verlängern,

    die Themen des Seminars durch weiterführende Informationshinweise im WWW abzurunden. Auf diese Weise können die neuen Interaktionsmöglichkeiten in den Lehrplan integriert werden, ohne daß jedoch auf das persönliche Gespräch zwischen Studenten untereinander und zwischen Studenten und Dozenten verzichtet werden muß.

    Während visuelle Veranschaulichungen von Zusammenhängen und Prozessen sowie schnelles Bereitstellen und Aktualisieren von Informationen schon vergleichsweise oft von medienunterstützten Projekten erfüllt ist, bleiben Interaktivität, Zeit- und Ortsunabhängigkeit der Anwendungen, Übertragungen in andere Veranstaltungen bzw. Hochschulen oder das gleichzeitige Ansprechen vieler Studierenden noch relativ unerschlossen.

    Die Add-on-Modelle haben sich vor allem europäische Projekte zu eigen gemacht. Die Symbiose zwischen virtueller und traditioneller, auf Präsenz beruhender Lehre wird u. a. von sogenannten "Teleteaching-Projekten" praktiziert.
     
     

    1. Teleteaching-Projekte

    Teleteaching oder auch Teletraining definiert sich als Aus- und Weiterbildung unter Einsatz von Rechnern, Multimediatechniken und Computernetzen. Mittels Teleteaching, das bereits sowohl in der Hochschullehre als auch in der industriellen Fortbildung angewendet wird, können Einschränkungen, die durch zeitliche oder räumliche Entfernung bedingt sind, abgebaut werden. Gerade in der Hochschulausbildung ist es wichtig, Wissen exemplarisch zu vertiefen und für die Forschung zu präsentieren. Durch Teleteaching können spezielle Angebote einzelner Hochschulen für weite Bereiche verfügbar gemacht werden, womit den Studierenden ein breiteres Ausbildungsangebot zur Verfügung steht.

    Die derzeit laufenden Teleteaching-Projekte haben zum Ziel, Vorlesungen live zwischen zwei oder mehr kooperierenden Universitäten zu übertragen, Lehrveranstaltungen aufzuzeichnen und auf einem Server abzulegen und Videokonferenzen zwischen verteilten Arbeitsgruppen zu ermöglichen. Es ist auch möglich, Lehrveranstaltungen nicht komplett zu übertragen, sondern vorrangig Video-Sequenzen in Vorlesungen einzubauen, um Lehrstoff interdisziplinär auszutauschen oder praktische Beispiele einzuspielen.

    Kooperationsbemühungen gibt es zwischen Universitäten verschiedener Bundesländer oder aber als "Public-private-Partnership" von Universitäten und Wirtschaftsunternehmen.

    Teleteaching stellt hohe Anforderungen an die Übertragungskapazität der Netze und an die Rechner-Hardware. Die technische Infrastruktur in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist ungenügend, Telekommunikation ist teuer, die private PC-Ausstattung vieler Studierender nicht auf dem neuesten Stand, so daß komplexe Internetseiten kaum in erträglicher Zeit zu laden sind. Und die frei zugänglichen Hochschul-PCs für Studierende sind leider knapp. Deutschland holt im Vergleich zu andern Ländern zwar stark auf, steht aber erst noch an der Schwelle zur technologischen Reform der Universitäten.

    Im folgenden sollen einige ausgewählte "Virtuelle Projekte" exemplarisch vorgestellt werden.

    Links zu weiteren Projekten finden sich im Anhang dieser Arbeit.

    Das Teleteaching-Projekt Dresden-Freiberg http://www.telematik.tu-freiberg/de/teleteaching/index_telet.html ist eine Kooperation zwischen den Fakultäten Informatik, Wirtschaftsinformatik und Psychologie der TU Dresden sowie der Fakultät Informatik der TU Bergakademie Freiberg. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes wurden u.a. Videokonferenz und WWW eingesetzt, um einzelne Vorlesungen und Übungen parallel an mehreren Orten über das Internet anzubieten. Lehrveranstaltungen sollten so multimedial unterstützt und die Online-Interaktion mit den Studierenden gefördert werden. U. a. wurde eine spezielle Präsentationsform zur Großbildprojektion in Hörsälen zur Unterstützung von Vorlesungen eingesetzt.

    Das Internet machte die Zusammenarbeit der beiden Hochschulen, die ca. 40 km auseinander liegen, möglich und diente als Zugangsmedium für die Studierenden. Jederzeit abrufbare Informationen wurden auf Webservern zur Verfügung gestellt, synchrone Interaktion erfolgte mit Hilfe von MBone-Tools (Videokonferenzwerkzeuge). Lehrveranstaltungen konnten durch Teile anderer Veranstaltungen angereichert werden, und durch die Einbeziehung unterschiedlicher Fachrichtungen ergab sich ein interdisziplinärer Austausch. Lehrblöcke, ganze Veranstaltungen als auch Vorlesungsteile sowie Übungen und Unterlagen wurden zwischen den Fakultäten ausgetauscht, so daß die Studierenden auch Einblick in relevante Bereiche anderer Disziplinen erhielten. Der direkte Kontakt zum Dozenten oder Tutor erfolgte per Email. Außerdem bestanden interaktive Möglichkeit zum Selbsttest der Lernenden. Digitale Videosequenzen aus Vorlesungen konnten abgerufen und Übungen bei vorhandener Technik zu Hause erledigt werden. Virtuellen Lerngruppen bildeten sich und lösten gemeinschaftlich komplexe Aufgaben. Die Studierenden konnte durch die enge Kooperation ihrer Hochschulen erhebliche Reisekosten und Zeit sparen.

    Die Webseiten und Folien zu den Vorlesungen wurden übrigens von studentischen Hilfskräften mittels Web-Editoren erstellt.

    Insgesamt betrachtet konnte das angestrebte Ziel, traditionelle Lernformen zu unterstützen und zu erweitern, um so eine neue Qualität der universitären Lehre zu erreichen, durchaus verwirklicht werden, wobei sich auch zeigte, daß der Bedarf an deutschen Hochschulen besteht, die vorhandene Infrastruktur für eine moderne Form der Lehrgestaltung zu nutzen.

    Ähnliche Ziele verfolgte auch das Teleteaching-Projekt der Universitäten Heidelberg und Mannheim http://www.informatik.uni-mannheim.de/informatik/pi4/projects/teleTeaching/ziele.html :

    Bereicherung des Lehrangebots, Verbesserung der Lehre, Entwicklung eines Teleteaching/Telelearning- Gesamtkonzepts sowie Intensivierung der Zusammenarbeit mit anderen Unis.

    Es besteht dort die Möglichkeit, über Internet zu hören, was Professor E. über diese Ziele des Projektes sagt. Betont wird auf jeden Fall, daß beim Teleteaching die vorhandenen Lehr- und Lernmethoden und –angebote nicht ersetzt sondern ergänzt werden sollen.

    Positiv bei diesem Projekt ist die gegenseitige Anerkennung von Prüfungsleistungen.

    Die Ergebnisse einer Umfrage zeigten aber auch, daß der Einsatz der neuen Medien einige Probleme mit sich brachte, an denen zukünftig noch gearbeitet werden muß. So kam es z.B. zu Defiziten bei der Moderation von Interaktionen während einer Vorlesung. Die unzureichende technische Ausstattung machte es schwierig, Wortbeiträge zu verstehen und führte zu Konzentrationsschwierigkeiten aufgrund der Ton- und Bildprobleme. Bei ihren virtuellen Referaten waren die Studenten überfordert mit der Koordination von Computerbedienung, lebendiger Vortragsgestaltung und Interaktionsmanagement. Die Referenten hatten zudem nicht die Möglichkeit, die Reaktionen des Publikums in befriedigender Weise wahrzunehmen oder in die Gestaltung des eigenen Vortrags einzubeziehen.
     
     

  13. Uni der Zukunft – Zukunft der Uni?
  14. Nachdem nun einige ausgewählte Beispiele für virtuelle Unterrichtsformen vorgestellt worden sind und die derzeitige Online-Universitätslandschaft beleuchtet wurde, bietet es sich an, die Vor- und Nachteile noch einmal aufzuzeigen und im Anschluß daran auf die Perspektiven der "Cyber-Hochschulen" einzugehen.
     
     

    1. Vorteile

    2. Für die Studierenden liegen die Vorteile von virtuellen Lehrveranstaltungen vor allem in der Orts- und Zeitunabhängigkeit. Besonders Studenten mit langen Anfahrtszeiten und Studierende mit Nebenjob oder dualen Studiengängen können von der freien Zeiteinteilung profitieren. Studieren, das nicht mehr an Institutionen gebunden ist, bietet auch neue Chancen für die Weiterbildung chronisch Kranker, Behinderter oder Menschen im Strafvollzug. Defizite wie Raummangel in überfüllten Hörsälen werden durch die Verfügbarkeit einer leistungsfähigen Datenkommunikation entscheidend gemindert.

      Das Lern- und Arbeitstempo ist individuell bestimmbar ebenso wie Weg und Ziel.

      Durch virtuelle Arbeitsgruppen und Diskussionsforen läßt sich kooperative Arbeit verstärken. Der Umgang mit gigantischen Datenmengen wird geübt, und Kernqualifikationen des Arbeitsmarktes wie Selbständigkeit und Eigeninitiative werden gefördert. Der Umgang mit einer immer bedeutender werdenden Arbeitsform, dem Telearbeit, ist außerdem eine wertvolle Zusatzerfahrung.

      Ein weiterer Pluspunkt: Multimedial aufbereitete Inhalte sind häufig verständlicher:

      Wissenschaftliche. Untersuchungen haben gezeigt, daß Schüler und Studenten 20 Prozent von dem, was sie behalten, was sie sehen, 40 Prozent dessen, was sie sehen und hören, und 70 Prozent von dem, was sie sehen, hören und tun. Interaktive Lernprogramme bieten ein multisensorisches Lernerlebnis, das die Art und Weise optimiert, wie Menschen Informationen aufnehmen. (11).

      Die Anbieter von Software für Online-Learning geben sich euphorisch: Mit Werbeslogans (12) wie "Die Welt des "distance learning" kennt praktisch keine Grenzen", oder "So wird Lernen zum Vergnügen!" preisen sie die "attraktive Auflockerung des Lehrangebots durch multimediale Aufbereitung".

      Verbesserte Lernleistung und größere Motivation (womöglich durch Neuigkeitseffekt und Aktualität) erhoffen sich auch die Universitäten selbst, die das Dienstleistungsangebot gegenüber Studierenden vergrößern wollen. Gerade in der Hochschulausbildung ist eine exemplarische Vertiefung des Wissens und damit das Vordringen an die jeweilige Forschungsfront besonders wichtig. Durch Teleteaching-Projekte können Universitäten ihre speziellen Online-Angbote in weiten Bereichen verfügbar und für jedermann (mit Internetanschluß) zugänglich machen.

      Sandbothe erhofft sich von den interaktiven Datennetzen, daß Bewegung kommt in die traditionellen Fächergrenzen und warnt diesbezüglich vor "geschlossenen Bildungsnetzen" (13).

      Auch könnte durch vermehrte Online-Lehrveranstaltungen Arbeit optimiert und rationalisiert werden, indem z.B. bestimmte Teile des Studiums von Professoren auf Tutoren verlagert würden und so Kosten gespart werden könnten. Lehrkräfte müßten nicht täglich in der Universität erscheinen, sondern hätten die Möglichkeit, ihre Vorlesungen von Zuhause aus zu halten. Wissenschaftler und Dozenten sparen zeitaufwendige Reisen zu Tagungen und Symposien, und Pendler (Dozenten als auch Studierende) Zeit und Anreisegeld.

      Kooperationen zwischen Universitäten, Online-Patenschaften und Projekte, die Forschung und Wirtschaft miteinander verknüpfen bringen volkswirtschaftliche Kosteneinsparung mit sich (14).

      Gut aufbereitete Skripte zum Download statt "Tafelgekritzel", ins Netz gestellte Übungen zur Vertiefung des Stoffes oder nachträglich aufgetretene Fragen, die sich per Email an den Dozenten klären ließen, würden sicherlich zur Attraktivität von Vorlesungen und Seminaren beitragen.
       
       

    3. Nachteile

    4. Trotz all der Vorteile, die man sich von den virtuellen Lehrmethoden verspricht, darf man natürlich die Nachteile nicht ignorieren.

      Grundsätzlich kann man sagen, daß das Internet trotz seiner wunderbaren Möglichkeiten nicht perfekt ist. Es kann nicht über alles Auskunft geben. Online-Infos können falsch und unzuverlässig sein. Alle verfügbaren Quellen können sich aufgrund der Dynamik des Mediums täglich ändern, und jeder, der schon einmal im Internet gesurft ist, wird die Erfahrung gemacht haben, sich in der Fülle der Informationen verloren zu haben oder an Unwichtigem kleben geblieben zu sein. Sandbothe spricht von "zeitraubenden Klickorgien" und einer Orientierungslosigkeit im "Dschungel der Publikationen durch eine informatorische Überflutung mit Unmengen von unsystematischen miteinander korrelierten Daten" (15). Er befürchtet sogar die Auflösung des konzentrierten Arbeitens sowie die Aufspaltung und Zerstreuung des systematischen Lernvorgangs durch einen ungeübten Umgang mit dem Web und fordert neben der technischen Ausbildung eine fachspezifische Didaktik. Weiter plädiert er für die "Einübung von differenzierter Medienkompetenz, die auf kritischer Urteilskraft beruht" und die "Entwicklung und Vermittlung einer medienphilosophischen fundierten, pragmatischen Netznutzungsethik"(16).

      Einschläfernder Seitenaufbau macht wissenschaftliches Arbeiten zur Qual, und "tote Links" lassen die Frage aufkommen, wie man aus dem Internet zitieren (17) soll und ob man überhaupt auf WWW-Dokumente verweisen kann, wenn deren zukünftige Existenz nicht gesichert ist.

      Mangelnde technische Ausstattung erlaubt nicht allen Studierenden, Online-Lehrangebote zufriedenstellend zu nutzen. Lange Übertragungszeiten bei umfangreichen Graphiken sind an der Tagesordnung, und auch die visuelle Begegnung über PC ist gewöhnungsbedürftig: Die Gestik muß anders sein, da das Videobild klein ist und die Übertragung bei schneller Bewegung ruckartig oder verzögert läuft. Dies sind Probleme, die mit der Zeit sicher verringert werden können; auch Medienkompetenz läßt sich erlernen, wie aber steht es mit der zwischenmenschlichen Kommunikation? Mangelnde soziale Kontakte (18) und Anonymisierung von Bildungseinrichtungen sind häufig genannte Argumente, die Kritiker ins Feld führen. Diese Einwände lassen sich aber entkräften durch die Tatsache, daß Isolierung kein spezifisches Problem der Fernuni war und VU ist und die Klage über das Alleinsein gerade aus den überfüllten Hochschulen kommt: "Bloß präsentes Nebeneinander hebt Alleinsein nicht auf." (19)

      Email- und Chat- oder Newsgruppen-Kommunikation stellen zwar Alternativen dar, können aber letztendlich direkte Face-to-face-Kontakte nicht ersetzen. Soziale Austauschmöglichkeiten über Datennetze erreichen nicht die Qualität der Diskussion in Seminaren. Fachdiskussionen verlaufen von Angesicht zu Angesicht einfach engagierter und spannender, darüber läßt sich meiner Meinung nach nicht streiten.

      Das selbstbestimmte Lernen und Arbeiten ohne festen Seminar- und Stundenplan, das einerseits als Vorteil genannt worden ist, kann sich auch nachteilig auswirken. Es erfordert Selbstdisziplin, Energie und Eigenengagement und kann zur Nachlässigkeit verleiten. Allerdings müssen Fernstudenten die Tugenden des selbständigen und selbstmotivierten Arbeitens sowieso als Voraussetzungen mitbringen, egal ob sie über Internet studieren oder nicht. Paechter schlägt diesbezüglich vor, "Lernpfade" (20) für multimediale Lernsysteme vorzugeben, um die Lernenden mit ihren Freiheiten nicht zu überfordern.

      Ein weiterer Nachteil sind die fehlenden oder mangelhaften Kriterien für die Beurteilung virtuell erbrachter Leistungen. Es herrscht noch keine Einigkeit über die Anerkennung von virtuellen Abschlüssen.

      In weiten Bevölkerungskreisen trifft man zudem noch immer auf mangelnde soziale und emotionale Akzeptanz von Computermedien bzw. auf eine traditionell kulturpessimistische Haltung gegenüber dem Einsatz "neuer" Medien an Hochschulen. Insbesondere die Geisteswissenschaftler scheinen noch etwas technikfeindlich zu sein und haben Berührungsängste bezüglich der neuen Medien. Auch an der Universität Hannover ist deutlich festzustellen, daß gerade die geisteswisenschaftlichen Fachbereiche eher selten mit einer eigenen Homepage aufwarten und nur wenige Dozenten z. B. eine eigene Email-Adresse angeben.
       
       

    5. Perspektiven

    Werden VUs bald Präsenzunis verdrängen? Wird der PC irgendwann den Campus ersetzen, oder wird der Multimediaeinsatz an Hochschulen überschätzt? Werden sich Dozenten Sorgen machen müssen um ihren Arbeitsplatz? Wohin wird die sogenannte "Informatisierung der Gesellschaft" (21) führen?

    Diese Fragen beschäftigen viele Autoren. In diesem Kapitel sollen einige Zukunftsvisionen und Perspektiven aufgegriffen und diskutiert werden (22).

    Da die Fernuniversität Hagen als vollwertige VU noch keine adäquate Konkurrenz bekommen hat, ist davon auszugehen, daß die Hauptanwendungsgebiete für Online-Lehrangbebote zukünftig die Bereiche Weiterbildung, außerschulische Bildung und Fortbildung sein werden.

    Der Bildungsmarkt ist jedoch in Bewegung geraten, und virtuelle Uni-Veranstaltungen sind lange nicht mehr so "Mangelware", wie es Bickmann/Brauner noch 1996 bedauerten, als sie die noch seltenen Online-Angebote vereinzelter Hochschulen als "einige zarte Pflänzchen multimedialer Freilandversuche" (23) betitelten. Viele traditionelle Hochschuleinrichtungen sehen in den neuen Computertechnologien große Herausforderungen und Chancen. Die Konkurrenz wächst und das Geschäft mit der (Handelsware) Bildung boomt. "Der "Kunde" Student kann aus einer großen Palette unterschiedlichster "Bildungswaren" auswählen und sich ein individuell maßgeschneidertes Ausbildungsprogramm zusammenstellen." (24)

    Universitäten sowie alle Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen werden möglicherweise unter verschärften Leistungs- und Wettbewerbsdruck geraten und sich einer zunehmenden Konkurrenz- und Marksituation gegenüber sehen. Die damit verbundene Bereitschaft, die nötige Infrastruktur und das entsprechend qualifizierte Personal zur Verfügung zu stellen, kann dann zu einem verstärkten, effektiven Einsatz multimedialer, rechnerunterstützter Lehrsysteme und einer Verbesserung der Bildungsqualität führen (25).

    Auch Bickmann/Brauner sagen voraus, daß Bildung auf dem freien Markt handelbar wird und daß die anbietenden Bildungsinstitutionen nicht mehr nur öffentlich-rechtlich sein werden. Ihrer Meinung nach werden sich die qualitativ besten Anbieter an einem freien Bildungsmarkt durchsetzen, weshalb sie ein System der Preisbindung vorschlagen, um im Sinne einer Chancengleichheit einen Preiswettbewerb zu Lasten der Qualität zu verhindern (26).

    Für den Bildungsmarkt 2000 wünschen sich Bickmann/Brauner ein völlig offenes Bildungssystem, welches jedem Lernwilligen die Möglichkeit bietet, sich ständig auf virtuellem Wege weiter- und fortzubilden und so die starren Konventionen der bisherigen Auffassung von einer zeitlichen Abfolge von Leben zu durchbrechen (27). Dies dürften aber zunächst noch Zukunftsvisionen sein, obwohl ein Trend zu lebenslangem Lernen sich durchaus abzeichnet und dem Selbststudium via Internet eine wachsende Bedeutung zukommt.

    Wird der Einsatz von Internet und Multimedia überbewertet? Karin Hahn bezeichnet Deutschland diesbezüglich als "multimediales Entwicklungsland" (28). Angesichts der Fluten von Fakultäten seien die Multimediaprojekte an deutschen Hochschulen noch sehr dünn gesät. Hahn sieht im virtuellen Studium auch eher ein Zuschußgeschäft als die Möglichkeit, Kosten zu sparen, weil die Weiterentwicklung der Technik immer neue Investitionen erfordere. In Deutschland fehle es an finanziellen Mitteln, um auch nur annähernd Anschluß zu finden zur Spitze der Multimediagesellschaft.

    Laut Hahn können virtuelle Studienangebote nur vorübergehend vom Staat bezuschußt werden. Weitere Einnahmequellen für Hochschulen zur Finanzierung sieht Hahn z. B. in Weiterbildungen für Firmen oder Einsparungen an anderen Stellen.

    Laut Thomas Sand vom Hochschul-Informationssystem nutzen nur sechs Prozent der Wissenschaftler regelmäßig neue Medien in der Lehre, womit Deutschland weit unter den Vergleichswerten in den USA, Kanada und Australien, wo der Medieneinsatz in oder ergänzend zur Veranstaltung bei etwa achtzig Prozent liegt (29).

    Die große Bedeutung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien für den Bildungsbereich sieht auch Seising: "Noch nie war es möglich, so viel zu wissen. Noch nie war es aber auch so schwierig, Informationen sinnvoll zu verarbeiten. Deshalb brauchen wir radikal veränderte Konzepte von Bildung und Erziehung" (30). Seising spricht hier von Multimedia-Konzepten und setzt dabei auf computerunterstützte spielerische Wissensvermittlung durch Edutainment (education + entertainment). Folglich werden sich wissenschaftliche Arbeitstechniken, Lektüregewohnheiten, Informationsgrenzen, Aufnahmefähigkeiten und Kommunikation ändern bzw. haben sich bereits verändert. Zum Wissen, wo man etwas nachschlägt, kommt nun das Wissen über Programmier-, Speicher- und Suchtechniken, und mit dem Begriff "Text" wird immer öfter "Hypertext" gemeint sein (31). Der "Student von heute" muß sich technisches Knowhow aneignen; "transversale Medienkompetenz" (32) wird die entscheidende Qualifikation für wissenschaftliches Arbeiten und auf dem Arbeitsmarkt des 21. Jahrhunderts sein. Die studentischen Techniken der Informationsbeschaffung und –verarbeitung haben sich nicht erst seit gestern verändert: Online-Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbanken und Datensammlungen in aller Welt, Literaturrecherche über Online-Bibliothekskataloge, Arbeiten mit verschiedenen Suchmaschinen, langfristige Recherchestrategien, um sich auf dem laufenden zu halten per Newsgroups, Mailinglisten oder abonnierten E-Zines sind schon länger keine Zukunftsmusik mehr sondern studentischer Alltag (33).

    Und auch die Rolle des Lehrenden an VUs wird sich verändern: Nicht mehr der Lehrende ist hier die alleinige Lernquelle, sondern der PC, was zunächst einiger Gewöhnung bedarf, besonders bei Professoren der älteren Generation. Der Lehrende wird das Informationsmonopol verlieren und vom Wissensvermittler zum "Lernmoderator" oder "Coach". Da die emotionale Ebene aber nicht durch technische Mittel zu ersetzen sein wird bzw. elektronische Hilfsmittel keine adäquate Alternative für menschliche Kontakte sind, wird der Professor "in Fleisch und Blut" also bleiben und nach wie vor unverzichtbar sein.

    Wie sich die neuen Medien auf die deutsche Hochschullandschaft weiter auswirken werden, bleibt vorerst noch abzuwarten.

    Unbestritten ist jedoch, daß sich jeder, der in einer Informationsgesellschaft lebt, früher oder später mit den neuen Verhältnissen auseinandersetzen muß:

    Die Wissenschaften, die sich dem technischen Fortschritt verschließen, werden bald keinen Beitrag mehr zum gesellschaftlichen Fortschritt leisten könne. Andererseits werden sie ihre Leistungen nicht mehr zeitgemäß vermitteln können, so daß sie in eine Legitimitätskrise geraten werden, wenn sie sich dort nicht schon befinden. Die Informationsgesellschaft wird auf Wissenschaft und Forschung, deren Bedeutung sie nicht wahrnimmt, keine Rücksicht nehmen. (34)

    Auch Bickmann/Brauner halten kritische Akzeptanz und intelligente Nutzung der neuen Technologien für sinnvoll:

    Es geht zu diesem Zeitpunkt nicht um die Frage, ob wir uns neue Möglichkeiten erschließen und uns dafür neuen Gefahren aussetzen wollen, sondern darum, ob wir an einer sich bereits entfaltenden Dynamik aktiv teilhaben wollen oder nicht. (35)

     

  15. Zusammenfassung

Rückblickend läßt sich zusammenfassen, daß immer mehr Universitäten nach dem Einsatz elektronischer Medien in der Lehre streben und die Zahl der akademischen Angebote im Internet stetig wächst. Medienunterstützte Lehrprojekte haben sich als sinnvolle Lernhilfe und als effektiv für einen schnellen Informationsaustausch erwiesen.

Im inzwischen unübersichtlich gewordenen Angebot an virtuellen Lehrprojekten überwiegen zur Zeit die "semi-virtuellen" Modelle (Teleteaching u. a.). Hiervon gibt es inzwischen reichlich, aber die einzige "voll-virtuelle" Universität ist bislang nur die Fernuniversität Hagen.

Viele Hochschulen rüsten zwar multimedial auf, die meisten Projekte stecken aber noch in der Experimentier- und Erprobungsphase. Trotz der vielfältigen Bemühungen gehört medienunterstützte Lehre noch nicht überall zum Alltag an deutschen Universitäten. Es zeigen sich noch strukturelle und finanzielle Defizite, technische Ausstattungen sind oft unzureichend. Einzelinitiativen werden zu wenig unterstützt, und fehlende EDV-Kenntnisse stellen Hindernisse dar auf dem Weg in die "Cyber-Unis". Besonders die Geistes- und Sozialwissenschaften tun sich anscheinend mit der Akzeptanz der neuen Medien in ihren Fachbereichen noch etwas schwer und wirken so neben Studiengängen wie Elektrotechnik oder Wirtschaftsinformatik fast etwas technikfeindlich. Vielleicht stellen aber auch die mangelnde Technikausstattung und die fehlende Medienkompetenz hier die Haupthindernisse dar. Letztendlich wird es an den jeweiligen Einzelwissenschaften liegen, ob und wie sie die Möglichkeiten der neuen Technologien für sich nutzen. Daß trotz aller Gefahren und Risiken die Vogel-Strauß-Politik unangebracht und der technische Fortschritt nicht mehr aufzuhalten ist, haben die allermeisten Hochschulen jedoch inzwischen mitbekommen.

Einig ist man sich, daß virtuelle Betreuungs- und Kommunikationsangebote keine Alternative für zwischenmenschliche Kommunikation im Studium sind.

Die Bindung an einen bestimmten Ort oder eine bestimmte Zeit wird jedoch (irgendwann) nicht mehr erforderlich sein, um eine Qualifikation zu erreichen.

Zukünftig werden also die VUs zwar noch keine Konkurrenz zur Präsenzuniversität darstellen, aber eine sinnvolle und ausbaufähige Ergänzung zum traditionellen Studium. Ergiebig und effektiv scheint eine Art "Methodenmix", der neben den Printmedien verstärkt auch neue Medien (Internet u.a.) nutzt. Den Anspruch, die "herkömmlichen" Hochschulen zu ersetzen oder zu verdrängen, haben die Unis nicht als Ziel. Die Konkurrenz untereinander sowie zu internetbasierten Ausbildungseinrichtungen wird aber sicherlich wachsen, was sich positiv für die Hochschullandschaft auswirken dürfte und eine Neubelebung des Bildungsmarktes bedeuten würde.

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Multimediale und interaktive Wege

der Wissenschaftsvermittlung im Internet

von Julian Hohmann (Julian.Hohmann@mbox.sdls.uni-hannover.de)

 
Inhalt

1. Einleitung: *

2. Grundlagen *

2.1. Eingrenzung des Begriffes Multimedia: *

2.2. Eingrenzung des Begriffes Interaktion *

2.3. Multimedia im World Wide Web *

2.4. Multicast und Mbone *

3. Ausgewählte multimediale Angebote aus Natur- und Geisteswissenschaften im WWW *

3.1. Astronomie und Astrophysik: Die Bedeutung der Verfügbarkeit von Bilddaten *

3.2. Chemie: 3d-Visualisierung von Molekülen und molecular modelling. *

3.3. Physik und Biologie: Animationen und Simulationen - die Verdeutlichung komplexer Modelle *

3.4. Medizin: Von virtuellen Zellen und Gehirnen *

3.5. Sprache und Multimedia *

3.6 ... und viele andere Nutzungsmöglichkeiten *

4. Ausblick *
 
 
 

  1. Einleitung:

  2.  

     
     
     

    Ziel dieses Kapitels ist es, knapp zehn Jahre nach Einführung des – damals noch textbasierten World Wide Web (WWW oder auch W3) einen Eindruck zu vermitteln von den Vorteilen dieser Plattform für die Darstellung wissenschaftlicher Inhalte mittels multimedialer und teilweise interaktiv anwendbaren Komponenten.

    Um die Print- und die Online-Version nicht zu trennen, wird darauf verzichtet, im Folgenden aufgeführte Beispiele in den Text mit einzubinden. Die aufgeführten Hyperlinks der Beispiele befinden sich in Reihenfolge des Erscheinens quasi als Anhang in der Datei links.htm, ein unterstrichenes lnk. verweist jeweils auf die entsprechende Stelle. Ausnahmen stellen die Hyperlinks zu Software dar, diese sind direkt in die Arbeit integriert. Für die Literaturangaben gilt entsprechend das Kürzel lit, es verweist auf die Datei lit.htm. Da es sich um eine internetspezifische Arbeit handelt, deren Verständlichkeit durch den Besuch auf den jeweiligen Seiten erleichtert wird, enthält dieses Kapitel deutlich mehr Hyperlinks als Sekundärliteratur. Einzelne Screenshots und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuelle Beispiele sind mit src, bzw. ex gekennzeichnet, sie befinden sich im Unterverzeichnis examples/ (Bsp. 1, Bsp. 2). Die Orthografie folgt der neuen Rechtschreibung, englische Fachbegriffe aus dem Bereich Computer und Kommunikation habe ich in der deutschen Schreibweise verwendet und durch kursive Schreibung hervorgehoben, ebenso englische Eigennamen.

    Nachfolgend beginne ich dieses Kapitel in dem Abschnitt Grundlagen mit einer Eingrenzung der Begriffe Multimedia und Interaktion, um so Verwirrung durch die vielen unterschiedlichen Konnotationen dieser Begriffe in der Umgangs- und in den jeweiligen Fachsprachen zu vermeiden. Es folgt ein kurzer Abriss, in welchem ich die Grundlagen der hier vorgestellten multimediale Inhalte im World Wide Web kurz skizziere, wobei ich in den meisten Fällen auf Hyperlinks verzichtet habe. Erfahrungsgemäß ändern sich die diversen Standards relativ schnell, noch schneller aber die entsprechenden kompetenten Referenzseiten. Über Kataloge, (z.B. Yahoo, lnk. g1) und normale (z.B. Altavista, lnk. g2) sowie Meta-Suchmaschinen (z.B. Meta, lnk. g3) sollten Informationen über die angesprochenen Dienste, Formate und Protokolle aber jederzeit leicht auffindbar sein.

    Den Hauptteil dieses Kapitels bildet dann die exemplarische Vorstellung einzelner Anwendungsbereiche aus unterschiedlich Wissenschaftsbereichen. Im Rahmen des Umfangs dieser Arbeit kann hier nur ein sehr sequentieller Eindruck des Potentials der Kombination Multimedia und Internet vermitteln, angesichts der verfügbaren Informationsmenge ist es ein winziger Bruchteil von einigen wenigen Wissenschaften, deren Möglichkeiten, aber auch Schwierigkeiten bei dieser Form der Wissensvermittlung ich im Folgenden zu aufzuzeigen versuche. In keinster Weise kann diese Vorstellung als repräsentativ angesehen werden. Beispiele sind zumeist mit den o.g. Recherchemöglichkeiten gesucht worden, Suchbegriffe waren u.a. Multimedia, interaktiv und die Bezeichnungen der jeweiligen Wissenschaft, allesamt in deutscher und in englischer Sprache und in verschiedenen Kombinationen. Aus den Ergebnissen und der weiterführenden Hyperlinkstruktur stammt der Großteil der hier vorgestellten Anwendungen.

    Die einzelnen Abschnitte gliedern sich in Astronomie und Astrophysik, Chemie, Physik und Biologie, Medizin sowie den Bereich Sprache. Dass überwiegend naturwissenschaftliche Fachrichtungen vorgestellt werden, ist dabei kein Zufall, sondern beruht auf der wesentlich geringeren Nutzung multimedialer Lehr- und Lernformen seitens der Geisteswissenschaften. Anschliessend wird in einem kurzen Überblick versucht, wenigstens einen Teil der nicht näher behandelten Wissenschaftsbereiche, bzw. deren multimediale Internetanwendungen, zu skizzieren.

    Abschließend steht ein kurzer Ausblick, in dem einige der Diskussionspunkte über Chancen und Risiken dieser neuen Lehr- und Lernformen aufgezeigt werden.

    Für die geduldigen Erklärungen zu den Chemieseiten danke ich Guido Erbach, ohne dessen Hilfe ich nur einen Bruchteil der Anwendungsmöglichkeiten auf diesem Gebiet verstanden hätte, geschweige gar zu Erläutern imstande gewesen wäre.

    Neben der Vermittlung eines Eindrucks der Möglichkeiten, die diese Form der Wissenschaftsvermittlung bietet, hoffe ich, dass dieses Kapitel beim Leser ein grundsätzliches Interesse an der Thematik weckt und ihn eventuell sogar ermutigt, in seinem eigenen Bereich entsprechende Formen umzusetzen.
     
     
     

  3. Grundlagen

  4.  

     
     
     
     
     

    1. Eingrenzung des Begriffes Multimedia:

    2.  

       
       
       

      In diesem Kapitel verwende ich eine weniger technisch, als vielmehr praxisorientierte Definition von Multimedia. Dabei bezeichne ich Inhalte als multimedial, sofern unterschiedliche Medien (Schrift, Grafik, Animation, Ton oder Videobild) miteinander verbunden und in einem Kontext präsentiert werden. Mit der Kontextorientierung möchte ich in dieser Arbeit die – weit verbreiteten – Bereiche des World Wide Web ausgrenzen, in denen die schriftlichen Inhalte mit sogenannten Bannern (teilweise animierten Werbegrafiken), mit Grafiken verbundenen Hyperlinks oder mit Hintergrundbildern präsentiert werden. Trotzdem ist natürlich auch nach dieser Definition ein Großteil des Angebotes im WWW multimedial – wenn etwa eine Musik-CD mit anklickbaren Tonbeispielen oder auch nur mit Bildern des jeweiligen Covers versehen angepriesen wird. Trotzdem ist gerade für die Wissenschaftsvermittlung diese Kombination wenn auch nicht neu - ist doch die Verbindung von Text und Grafik als didaktisches Mittel älter als der Buchdruck -, im Zusammenhang mit der Hypertextstruktur von Internetseiten eröffnet sie m.E. dennoch eine grundsätzlich neue Form der Wissens- und der Wissenschaftsvermittlung.

      Ich versuche allerdings auch zu zeigen, daß die Möglichkeiten des Mediums Internet in seiner Verschmelzung von Massen- und Individualkommunikation und der Verbindung unterschiedlichster medialer Formate weit über das hinausgehen, was ohne Unterstützung durch Computer und Netzwerke möglich wäre. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Vitual Reality Markup Language (VRML), mit deren Hilfe virtuelle Räume begehbar werden oder sich Gegenstände – etwa Moleküle – virtuell drehen, wenden und so von verschiedenen Seiten betrachten lassen. In Bezug auf die Kommunikation ist es beispielsweise das Mbone Netz (lnk. g4), das mittels Webcam und Mikrophon nicht nur eine digitalisierte Form der Face-To-Face-Kommunikation ermöglicht (allerdings mit Einschränkungen hinsichtlich der Bild- und Tonqualität sowie einer geringfügigen zeitlichen Verzögerung), sondern ebenso computernetzspezifische Erweiterungen bietet, etwa das sogenannte Whiteboard oder andere Formen des Application-Sharing (gleichzeitige Nutzung eines Programms von mehreren Anwendern, auch an verschiedenen Computern).
       
       

    3. Eingrenzung des Begriffes Interaktion

    4.  

       
       
       

      Ebenso wie Multimedia ist in Bezug auf das Internet der Interaktionsbegriff vielseitig verwendbar. Ich klammere im Folgenden die grundlegende Navigation im WWW aus, obwohl bereits hier der Rezipient einer Website mit deren Verfasser interagiert, wie ja in der Sprach-, der Medien-, der Kommunikations- oder den Sozialwissenschaften auch bei anderen Massenmedien vom interaktiven Rezipienten gesprochen wird, der einerseits durch Auswahl und Wahrnehmung, andererseits auch durch schriftliche oder mündliche Reaktion an die Produzenten, bzw. die entsprechenden Institution nicht nur aktiv selektiert, sondern auch künftige Inhalte und Darstellungsformen mitbestimmt. Zwar erfordert das Navigieren durch Millionen von Websites sicherlich schon mehr Aktion, als es beispielsweise das Zappen durch derzeit maximal mehrere Dutzend Fernsehkanäle, sodass die Fragmentarisierung der Nutzung von Medieninhalten durch individuellere und aktivere Rezeption weiter wachsen wird - in Bezug auf die Kommunikationspotentiale des Internet bietet es sich aber m.E. an, den Begriff der Interaktion den Formen vorzubehalten, die über die genannten Beispiele hinausgehen. Es ist also die direkte Kommunikation mit anderen Anwendern, aber auch mit Programmen, also kommunikationswissenschaftlich gesehen synchrone Kommunikation, die ich im folgenden als interaktiv bezeichne. Asynchrone Dienste und Formen wie etwa Email, das Usenet, die sog. Guestbooks, oder auch (Live-)Streams mit Audio- oder Videodaten, werden also ausgeklammert; die Ein- oder Mehrkanaligkeit wird in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt. In Bezug auf den hier gemeinten Interaktionsbegriff bedeutet dies: Das schriftsprachliche Internet Relay Chat (IRC) oder Webchats werden ebenso wie Audio-(Speak Freely, Netscape Conference, Microsoft Net Meeting u.v.m.) oder audiovisuelle Kommunikation (CU-SeeMe, Mbone) als interaktive Dienste, bzw. Protokolle angesehen, wie auch Tutorials, in welchem der Rezipient per Mausklick Fragen beantworten soll oder ein in Java geschriebener Editor, der anhand einzugebender Daten Moleküle in VRML visualiert, als interaktive Angebote benannt werden.
       
       

    5. Multimedia im World Wide Web

    6.  

       
       
       

      Grundlage für die Nutzung der meisten multimedialen Anwendungen im Internet ist das WWW. Dieser – noch nicht einmal zehn Jahre alte - Dienst ist mittlerweile neben Email der am stärksten frequentierte (vgl. für die Bundesrepublik Media Perspektiven Basisdaten, Genutzte Onlineeinsatzmöglichkeiten, S. 83, lit. 1), nicht zuletzt wegen seiner Möglichkeit, ebensolche multimedialen Inhalte zu integrieren.

      Voraussetzung für die Darstellung solcher Inhalte ist ein Browser, der – teilweise mit Hilfe sogenannter Plugins – das übertragene Format auch darstellen kann (Für die in dieser Arbeit angeführten Beispiele vergleiche folgende Tabelle.)
       
       

      Tabelle: Einige Multimediaformate im WWW und zugehörige Plugins


      Plugin und Suffixe Homepage
      Chemscape Chime: cub, cube, tgf, skc, scr, jdx, dx, csm, csml, spt, mop, gau, xyz, pdb, emb, embl, rxn, mol 3D Darstellung, vor allem im Bereich der Visualisierung von Molekülen http://www.mdli.com/download/chimedown.html
      Quicktime: mov Videodaten, Panoramabilder http://www.apple.com/quicktime/
      Real Audio und Real Video: ra, ram, rpm Audio- und Videodaten, auch live http://www.realaudio.com/
      Shockwave: dir, dxr, dcr, spl, swf eigene Oberflächen mit Animationen und Audiounterstützung  http://www.macromedia.com/shockwave/
      VRML Blaxxun: bxx, bx3, wrl, vrml, wrz, wrl.gz 
      (Blaxxun ist nur ein Bsp. verschiedener möglicher VRML-Plugins, verbreitet ist auch der Cosmo Player)
      interaktiv "begehbare" virtuelle Darstellungen, auch Multi-User-Welten http://www.blaxxun.com/
      und 
      http://www.sgi.com/software/cosmo/player.html
      Tcl Plugin: tcl führt in HTML-Seiten integrierte Tclets (Scriptsprache) aus http://sunscript.sun.com/plugin/

      Für viele andere Audio- und Videoformate ist bei aktueller Software die Unterstützung von vornherein in die Browser integriert, hierzu gehören die Audioformate mit den Suffixen: au, aif, aiff, mid, midi, la, lma sowie die Videoformate mit den Suffixen: avi, mgp, mpeg.

      Abhängig von der jeweiligen Plattform (Microsoft Windows 3.x, 95, 98 und NT, Apple Macintosh und Linux, bzw. Unix), gibt es vielfach Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit. Die genannten Plugins wurden für dieses Kapitel unter Windows NT 4.0 mit dem Servicepack 4 zufriedenstellend eingesetzt, für andere, insbesondere Nicht-Microsoft-Systeme sind teilweise andere Anbieter empfehlenswert. Diesbezügliche Informationen lassen sich über die Homepage des jeweiligen Browser ermitteln.

      Die vorgestellten Beispiele sind nur ein Bruchteil der existenten Formate und Plugins - für die Nutzung der hier vorgestellten Beispiel reichen sie aus.

      Außer den vorgestellten Plugins beziehe ich mich auch auf das Programm Rasmol (http://www.umass.edu/microbio/rasmol/getras.htm), dieses unabhängig vom jeweiligen Browser arbeitende Programm ermöglicht die 3D-Visualisierung von Moleküldaten aus einigen Grunddaten (Bindungswinkel, Längen etc.), von der Vielzahl unterschiedliche Formate werden im folgenden nur Pdb-Dateien berücksichtigt. Zudem wird die mehrkanalig arbeitende Kommunikationssoftware CU-SeeMe (z.B. unter http://www.cu-seeme.net/) mehrfach genannt.
       
       

      Der Vorteil der Übertragung multimedial dargestellter Inhalte mittels des Hyper Text Transfer Protocol (HTTP) im Vergleich zu anderen Übertragungsprotokollen – wie etwa dem File Transfer Protocol (FTP), dem der Email zugrundeliegenden Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) oder Unix-to-Unix CoPy (UUCP) aus dem Bereich des Usenet - liegt in der Einbettungmöglichkeit verschiedener Dateiformate in eine einzelne Website. So lassen sich in den Text einer in der Hyper Text Markup Language (HTML) geschriebenen und im Hyper Text Transfer Protocol (HTTP) übertragenen Seite – die entsprechenden Plugins vorausgesetzt –Grafiken, Animationen, Ton- und Videodaten oder sogar eigene Programme in die jeweiligen Texte integrieren. Diese können, abhängig von der Gestaltung der Seite und den Möglichkeiten, bzw. der Konfiguration des Browsers, automatisch oder mittels Mausklick aktiviert werden (Für detailliertere Informationen über die grundlegenden Internet- und WWW-Protokolle vgl. z.B. Ed Krol, lit. 3)

      Weitere Möglichkeiten in Bezug auf für die interaktive Nutzung gestaltete Seiten eröffnen sich durch die sogenannten Scriptsprachen (z.B. JavaScript), durch das Common Gateway Interface (CGI) und Shellscripts oder Interpretersprachen (z.B. PERL): so lässt sich eine dynamische HTML-Erzeugung und Gestaltung realisieren, die in Bezug auf das Verhalten des jeweiligen Anwenders reaktive Prozesse erlaubt (Protokollfunktionen, Webchats, Counter, aber z.B. auch Sicherheitsmechanismen oder automatisierte Datenbankabfragen). Im Zusammenhang mit der plattformunabhängigen Programmiersprache Java lassen sich sogar eigene Oberflächen gestalten, in die auch multimediale und interaktiv zu bedienende Elemente integriert sein können.

      Diverse andere Standards und Protokolle wie auch Weiterentwicklungen von HTML (etwa SHTML oder XML) werde ich in dieser Arbeit nicht berücksichtigen. Einzig die Virtual Reality Modeling Language (VRML ) verdient im Kontext dieser Arbeit besondere Aufmerksamkeit, da mit dieser Sprache - wie bereits erwähnt - virtuelle 3-dimensionale Umgebungen realisiert werden, in denen der Besucher sich mit der Maus interaktiv räumlich bewegen kann. Obwohl ich keine entsprechenden Beispiele wissenschaftlicher Anwendungen gefunden habe, soll nicht unerwähnt bleiben, dass mittlerweile dort auch Audiodateien integriert werden können.

      Von den auf Datenträgern wie etwa CD’s zugänglichen wissenschaftlichen multimedialen Lehr- und Lernformen unterscheiden sich die im Internet dargebotenen Inhalte vor allem durch ihre öffentliche Verfügbarkeit, ihre Aktualität und – z.B. im Zusammenhang mit multimedialer Kommunikation – durch die echte Interaktivität. Die hier vorgestellten Beispiele sind sämtlich frei zugänglich, viele Seiten werden mindestens monatlich aktualisiert.

      Nachteile liegen in der immer noch sehr langsamen Datenübertragung – zumindest über den heimischen PC und eine herkömmliche Analog- oder ISDN-Leitung erfordert die Arbeit mit vielen der nachfolgend vorgestellten Beispiele häufig ein hohes Maß an Geduld. Hinzu kommen oft unvorhersehbare Hindernisse wie etwa ein hohes Datenaufkommen (Traffic) im Netz oder Wartungsarbeiten am jeweiligen Server. Neue Übertragungswege versprechen allerdings auch auf dem deutschen Markt mittelfristig, wenn auch nicht unbedingt Abhilfe, so doch auf jeden Fall Verbesserungen (z.B. ADSL, lnk. g5, oder die Nutzung von Stromleitungen zur Datenübertragung, lnk. g6). Ein weiterer Nachteil hängt mit der dem Internet eigenen Dynamik zusammen: Die Namen und Adressen der Seiten ändern sich häufig, zudem kommen nicht nur minütlich neue Angebote hinzu sondern es werden auch alte Seiten aus Kapazitätsgründen vom Netz genommen. Dies wird sich vermutlich auch zukünftig noch verstärken – begegnen läßt sich diesen Erscheinungen nur mit den internetspezifischen Recherchemöglichkeiten (Meta- und normale Suchmaschinen sowie Kataloge, s. lnk g1-3) ) und durch den der Wissenschaft verpflichteten oder zumindest aufgeschlossenen Teil der Internet-Community, d.h. denjenigen, die - beispielsweise an den Fachbereichen der Universitäten - durch ständiges Aktualisieren der dort präsentierten Hyperlinks die Auffindbarkeit von Informationen erleichtern.
       
       

    7. Multicast und Mbone

    Eine gänzlich andere Form der Übertragung multimedialer Daten und unabhängig vom WWW ist das sogenannte Mbone (lnk g4) . Von der Funktion in erster Linie als audiovisueller Kommunikationsdienst konzipiert, erfreut sich Mbone besonders im Bereich der wissenschaftlichen internationalen Zusammenarbeit wachsender Beliebtheit. Dies ist zum einen auf die relativ hohe Qualität der Daten zurückzuführen, die häufig einen an universitäre Hochleistungsnetze angeschlossenen Arbeitsplatz bedingt. Zum anderen sind es die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, die sich aus der Verwendung von Multicast-Protokollen ergeben. So ist Mbone nicht nur Grundlage für mehrkanalige Kommunikation mit - abhängig vom jeweiligen System - einer großen Anzahl gleichzeitiger Teilnehmer (also beispielsweise Onlinekonferenzen), sondern bietet auch Funktionen zur gleichzeitigen Verwendung bestimmter Programme von mehreren Anwendern (Application-Sharing) oder in der Einwegkommunikation die mehrkanalige Übertragung aufgezeichneter Sitzungen (Broadcast).

    Exemplarisch stelle ich im folgenden kurz das entsprechende Angebot der Universität Berkeley vor:
    Im dortigen Multimediaarchiv (lnk. g7) kann ein erster Eindruck der Möglichkeiten der neuen Technologie erfahren werden, hier werden Vorträge und Vorlesungen archiviert, die dann, eine entsprechend konfigurierte Mbone Schnittstelle vorausgesetzt, jederzeit in Bild und Ton nachträglich abrufbar sind.

    Der Vorteil einer solchen Aufarbeitung liegt auf der Hand: zum Einen kann bei Live-Übertragungen die Anzahl der Teilnehmer erheblich gesteigert werden (natürlich in Relation zur Kapazität des jeweiligen Servers) - die nicht-lokale Anbindung der angeschlossenen Teilnehmer erleichtert außerdem internationale Konferenzen und Diskussionen. Zum anderen sind die archivierten Beiträge jederzeit und von jedem Ort der Welt (einen entsprechenden Internetanschluß vorausgesetzt) abrufbar. Solche Formen können daher eine Globalisierung des Wissens begünstigen, zudem erleichtern sie aber auch eine Spezialisierung einzelner Interessierter. Außerdem können sie einen Eindruck des Angebotes der jeweiligen Universität, bzw. des jeweiligen Fachbereichs, wie auch der jeweils virtuell anwesenden Teilnehmern ermöglichen.
     
     
     

  5. Ausgewählte multimediale Angebote aus Natur- und Geisteswissenschaften im WWW

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    Wie bereits erwähnt, erfolgte die Auswahl der im folgenden vorgestellten Beispiele quasi einem internetspezifischen Zufallsprinzip (der Verfügbarkeit entsprechender Datensätze in den jeweiligen Suchmaschinen bzw. Katalogen), die intensivere Auseinandersetzung mit einzelnen Fachrichtungen ist aber auch auf die dort deutlich höhere Nutzung multimedialer Darstellungen zurückzuführen. Dass sich innerhalb des Internet Englisch als internationaler Standard weiter zu etablieren scheint, spiegelt sich auch in der Auswahl der im Folgenden vorgestellten Beispiele.
     
     

    1. Astronomie und Astrophysik: Die Verfügbarkeit von Bilddaten

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      Dass Bilder aus den Bereichen Astronomie und Raumfahrt in den herkömmlichen Massenmedien bei aktuellem Anlass regelmäßig präsentiert werden, liegt sicherlich nicht nur an dem großen Interesse, die diese Bereiche in der Bevölkerung erwecken, sondern auch an der Akzeptanz, welche die - staatlichen - Institutionen für ihre oft milliardenschwere Projekte zu erreichen hoffen. Astronomische Bilder und Daten sind dementsprechend auch im Internet in großem Umfang präsent. Einerseits etwa Bildersammlungen, die von interessierten Gruppen zusammen- und vorgestellt werden - so z.B. die Galerie auf der deutschsprachigen Astronomieseite (lnk a1) - andererseits aber auch umfangreiches Material, welches direkt von den jeweiligen Forschungsinstitutionen im Internet veröffentlicht wird. So finden sich beispielsweise beim Space Telescope Sciece Institute STSI unter Pictures insgesamt mehrere hundert Bilder, die auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble beruhen (lnk a2). Beim Chandra X-ray Observatory (lnk. a3) lassen sich - neben Informationen über den für dieses Jahr geplanten Start des Satelliten - auch Bilder und Videos (Quicktime-Format) über das geplante Satellitenprojekt, oder z.B. die Java-Animation eines Röntgenpulsars betrachten.

      Auf den beiden letztgenannten Websites wird bereits auf die Kooperation der Betreiber mit der NASA verwiesen, so ist es nicht verwunderlich, dass die NASA wohl das umfangreichste Internet-Angebot in diesem Bereich vorweisen kann. Exemplarisch sei hier die Website zum Mars Global Surveyor vorgestellt (lnk a4): Neben Bilddaten, die nicht nur durch ihre Qualität sondern vor allem auch durch ihre Aktualität bestechen, bietet die NASA Zugang zu komplexen Echtzeit-Telemetriedaten, zu VRML-Modellen des Satelliten sowie zu mehreren Dutzend Videoanimationen im Quicktime- und im Mpeg-Format. Grundsätzlich ist das NASA-Angebot derart umfangreich und vielseitig und auch durchaus nicht nur auf den Bereich Astronomie und Raumfahrt begrenzt, dass der Leser aufgefordert sei, sich beispielsweise mittels der Videodaten (Multimedia-Promo; in unterschiedlichen Formaten) unter den Rubriken Earth oder Space Science auf der NASA Hauptseite (lnk a5) ein eigenes Bild zu machen
       
       

    3. Chemie: 3d-Visualisierung von Molekülen und "molecular modelling".

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      In diesem Abschnitt habe ich die verschiedene Fachbereiche aus dem Gebiet Chemie zusammengefasst, darunter fallen organische und anorganische Chemie ebenso wie auch physikalische, technische oder Biochemie. Meine Absicht ist, mich nicht im Detail mit fachspezifischen Differenzierungen einzelner Disziplinen aufzuhalten, sondern einfach Beispiele für die Anwendungsmöglichkeiten in unterschiedlichen Bereichen aufzuzeigen.

      Für die Chemie sind die Möglichkeiten der Nutzung des Mediums Internet in vielen Bereichen äußerst bedeutend; bedingt durch die rasante Geschwindigkeit, in der neue Mikro- und Makromoleküle, Proteine etc. in der Forschung entdeckt werden, ist das Internet vor allem durch seine Aktualität nicht nur der Fachliteratur, sondern auch den Fachzeitschriften weit überlegen. Zudem ergeben sich für diesen Bereich besonders durch interaktive und multimediale Angebote im WWW deutliche Vorteile. Während einzelne Tutorials noch ohne multimediale Unterstützung auskommen (z.B. die Chemie-Tutorials unter lnk c1, allerdings gibt es dort auch Ausnahmen, die Lektion der Woche 7 enthält einen Link zu dem Multimedia Tutorial "Quantum Mechanics" mit Erläuterungen im Audioformat), erlauben andere Websites sogar mittels eines in Java geschriebenen Moleküleditors das Erstellen virtueller Moleküle. Diese können im VRML-Format 3-dimensional visualisiert und auch auf der eigenen Festplatte gespeichert werden (Molecular Modelling, siehe lnk c2). Die unterschiedlichen Präsentationsformen dieser beiden Beispiele ergeben sich nicht zuletzt aus den jeweils unterschiedlichen Kontexten, in denen die Seiten erscheinen: Während die erste Seite quasi seminarbegleitend die Teilnehmer (und natürlich weltweit alle anderen Interessierten) mit Hausaufgaben versorgt, dient der VRML Creator des Erlanger Computer-Chemie-Centrums (CCC) dem erfahreneren Chemiker bei der virtuellen Konstruktion nahezu beliebiger Moleküle. In Abhängigkeit zu den jeweiligen Untersuchungszweck lassen sich die jeweiligen Moleküle hier in unterschiedlichen Ansichten generieren und betrachten, gleiches gilt für die Betrachtung vieler der nachfolgend aufgeführten Beispiele: Sind in erster Linie Bindungswinkel und räumliche Geometrie von Interesse, so bietet sich ein Drahtmodell (Wired) an, die Übergänge werden dagegen in der Ansicht Stäbchen (Sticks), die Atome im Modus Stäbchen-Kugel (Balls and Sticks) und die Elekronenhülle im Kalottenmodell verdeutlicht. Ein Beispiel: Generiert man im Java-Editor ein Molekül wie in scr. c1, übergibt dieser nach Aufforderung die in scr. c2 gezeigten Parameter an den VRML File Creator, dieser erstellt nach Übergabe der Daten dann eine VRML-Datei die lokal abgespeichert wird (siehe ex. 1). Die unterschiedlichen Ansichtsmodi lassen sich dann über den Button "Change Style" aktivieren. Zwar handelt es sich bei dem hier verwendeten Beispiel um ein seit Jahrzehnten unter dem Namen TCDD, bzw. 1,2,7,8-Tetrachlordibenzo[b,e][1,4]dioxin, bekanntes Molekül, welches - spätestens seit es als Seveso-Dioxin ins Licht einer breiten Öffentlichkeit rückte - nicht mehr allzu viel unerforschte Eigenschaften aufweisen sollte, aber natürlich lassen sich auf diese Weise auch neue Moleküle virtuell erschaffen und in entsprechende Chemieprogrammen auch weiter bearbeiten, bzw. untersuchen (etwa das Verhalten der einzelnen Komponenten bei Temperaturveränderungen etc.).

      Speziell für Kristallstrukturen gibt es ein eigenes Programm (xtal-3d), welches spezifische kristallographische Formate in VRML umwandeln kann. Entwickelt wurde es am multinationalen Forschungsinstitut ILL (Institute Laue-Langevin) in Grenoble, die entsprechende Seite VRML 3D-visualisation with xtal-3d for WWW (lnk c3) wird als typisches Beispiel für eine fachspezifische Website - in diesem Fall aus der anorganischen Chemie - kurz skizziert: Nach einigen einführenden Worten werden folgende Links aufgelistet:

      "ILL's Gallery of interactive 3D crystal structures

      xtal-3d for WWW to visualise your own 3D crystal structures with VRML.

      Zeolite and molecular sieve database of crystal structures in VRML.

      Superconductor database of crystal structures in VRML.

      ICSD for WWW search for and display inorganic structures and their powder patterns. " (ebd.)

      Abschließend erfolgt eine kurze Übersicht mit Links zu VRML, entsprechenden Plugins sowie einer kurzen Anleitung für die Systemkonfiguration und der üblichen Bitte um Feedback via Email. Dies ist ein Aufbau, wie er - in leichter Abwandlung - relativ häufig auf fachspezifischen Websites anzutreffen ist: Zuerst gibt es eine allgemeine Auswahl an Strukturen in Form einer sog. Gallery, als nächstes das entsprechende Programm für die Visualisierung eigener Kristallstrukturen, als drittes und viertes stehen Links zu jeweils einer spezifischeren Auswahl und als letztes der Link mit Informationen zur Inorganic Crystal Structure Database (ICSD), auf welche die Inhalte der Links eins, drei und vier aufbauen. Typisch ist hier die Vernetzung und Anpreisung eigener Softwarelösungen (xtal-3d) mit Daten, die auf externen Datenbanken beruhen - hier der ICSD des Fachinformationszentrums Karlsruhe.

      Spezialisierte Chemieangebote finden sich viele, ein anderes typisches Beispiel ist der Fachbereich Pharmazie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (lnk c4). Hier finden sich nicht nur normale 3D-Visualisierungen pharmazeutisch relevanter Moleküle, sondern auch die 3D-Darstellung der jeweiligen elektronische Felder, bzw. der elektronischer Dichte. Auch einzelne Proteine sind interaktiv zu betrachten.

      Ein allgemeineres Angebot findet sich in Form einer Molecular Library (lnk c5) . Dort werden 3D-Visualierungen in die Kategorien : Water and Ice, Carbon, Hydrocarbons, Amino Acids, Nucleoides, Lipids, Sugars, Photosynthesis und Drugs zur Verfügung gestellt, Links zu anderen Datenbanken sind hier ebenfalls vorhanden. Weniger spektakulär, aber für die praktische Arbeit in diesem Gebiet sicherlich nützlich ist die interaktive Tabelle des Periodensystem der chemischen Elemente, die mit verschiedenen Unterrubriken (Nummer der Atome, Schmelzpunkt, Kristallstruktur uvm.) anzeigbar ist. Per Mausklick können dann weitere Informationen über das jeweilige Element abgerufen werden (lnk c6).

      Wissenschaftlicher Standard ist im Bereich der Chemie die Erfassung von Moleküldaten in speziellen Datenbanken, dort lassen sich die entsprechenden Datensätze recherchieren und zumeist mindestens im Pdb-Format herunterladen. Das bereits erwähnte Programm Rasmol ermöglicht anschliessend sowohl eine 3D-Visualierung des entsprechenden Moleküls als auch unter dem Menüpunkt Eigenschaften die Betrachtung der Grundeigenschaften und die Anzeigen in unterschiedlichen Modi, u.a. in dem bereits erwähnten Draht-, dem Stäbchen, dem Stäbchen-Kugel oder dem Kalottenmodell. Beispiele für solche Datenbanken, in denen aber auch diverse andere Datenformate eingesetzt werden, (u.a. vielfach VRML und Chime-Dateien) sind z.B. die Protein Data Bank (lnk c7) und die Nucleic Acid Database (lnk c8). Bei der letzteren gibt es zusätzlich den Musical Atlas, wie der Name nahelegt, werden die Daten der einzelnen Moleküle hier musikalisch aufbereitet und sind im Midi-Format abruf-, bzw. hörbar. Auch auf deutschen Servern sind solche Datenbanken zu finden, vielfach mit spezialisierteren Angeboten und verknüpft mit den großen US-amerikanischen Datenbanken. So beherbergt die IMB Jena Image Library of Biological Macromolecules (lnk c9) sowohl Daten über die grundsätzliche Struktur von Helixen, Beta Strand und Extended Conformation als auch sortierte Pdb-Listen mit den Datensätzen von Proteinen, Protein-Nucleid-Säuren, Nucleid-Säuren, RNA's und Carbonhydraten. In den jeweiligen Datensätzen finden sich nicht nur Angaben über die jeweilige Molekülstruktur, sondern auch Verweise zu anderen Datenbanken, die relevante Informationen hierzu enthalten. Der Betrachter hat zudem die Wahl zwischen unterschiedlichen 2- und 3-dimensionalen Formaten.

      Die Verfügbarkeit und Aktualität - auch visualisierter - Moleküldaten ist ein wesentlicher Grund für Bedeutung des Internet in der Chemie, ein anderer ist die Verfügbarkeit aktueller Messdaten, die häufig ebenfalls in visualisierter Form vorliegen. Entsprechende Software vorausgesetzt, können diese Ergebnisse mit eigenen abgeglichen werden, entsprechende Im- und Exportfunktionen ermöglichen - wie auch bei den Moleküldaten - die Umsetzung von 2- in 3-dimensionale Modelle und umgekehrt, dies alles in diversen Formaten und wissenschaftlichen Standards. Auf diese Weise wird hier durch die globale Vernetzung nicht nur einer internationalen Wissenschaft, sondern auch einer internationalen Forschung das Tor geöffnet.

      Schließlich soll noch eine weitere, bislang nicht erwähnte Form der Nutzung multimedialer und interaktiv zu bedienender Websites skizziert werden: das virtuelle Experiment. Ein Beispiel virtueller Forschung ist das Angebot auf der Seite Virtual Chemistry der University of Oxford (lnk c10). In verschiedenen Experimenten kann der Besucher z.B. aus virtuellen Flaschen Mixturen mischen und erhitzen, das Zwischenergebnis wird dann im Quicktime-Format angezeigt und die Begründung quiz-ähnlich im multiple choice Verfahren abgefragt, schließlich wird der Versuch fortgesetzt. Neben Java und Quicktime kommen VRML-, Chime- sowie Shockwave-Dateien zum Einsatz. Letzere ergänzen bzw. animieren die Abhandlungen in der Rubrik Multimedia Learning etwa zum Thema Entropy - how to measure disorder oder Chemical and Electrical potential. Trotz der Sperrung der Rubrik chemistry videos für externe Nutzer ist festzustellen, dass auf dieser Website fachspezifisches Wissen in einer Form transportiert und vermittelt wird, wie es kein anderes nicht-computerbasiertes Medium leisten könnte. Um das Thema dieser Arbeit zu verfolgen, verzichte ich an dieser Stelle auf eine intensivere Beschäftigung mit den Möglichkeiten, den Auswirkungen und den Fragen, die diese und ähnliche Websites aufwerfen. Ob Virtual Laboratories mittelfristig reale Labore überflüssig machen oder sie den Zugang zum Wissen für wen und wie stark erleichtern, ob dieser Zugang frei verfügbar oder durch - teure - Lizenzen beschränkt werden - diese und ähnliche Fragen sollten m.E. in eigenen Arbeiten behandelt werden. Der Leser sei daher aufgefordert, sich unter der genannten Adresse ein eigenes Bild zu machen.
       
       

    5. Physik und Biologie: Animationen und Simulationen - die Verdeutlichung komplexer Prozesse und Modelle

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      Zwar gibt es bei den unter dem Abschnitt Chemie genannten Beispielen vielfach Schnittstellen zu Physik und zur Biologie (etwa das Tutorial zur Quantenmechanik unter Woche 7, lnk c1), besonders im Bereich der klassischen Physik ist das Angebot durchaus magerer. Eine Ausnahme bilden das Multimedia Physic Studios ((lnk p1) und die Shockwave Physik Studios auf der Glenbrook South Science Homepage. Bei den Shockwave-Animationen handelt es sich um derzeit sieben verfügbare physikalische Aufgaben, die vom Besucher interaktiv zu lösen sind, etwa zur Ermittlung von Projektilbewegungen mittels kinematischer Gleichungen, zu Einsteins Konzept der Raumkrümmung oder zur Farblehre. Bei den Multimedia Physic Studios ist die Auswahl der Themen wesentlich größer, unter den Kategorien: 1-Dimensional Kinematics, Newton's Laws, Vectors and Projectiles, Momentum and Collisions, Work and Energy, Circular, Satellite and Rotational Motion, Special Relativity, Static Electricity, Waves, Sound and Light und Ray Optics (ebd.) finden sich jeweils bis zu 17 animierten Grafiken im Gif-Format, mit deren Hilfe physikalische Vorgänge verdeutlicht werden. Zusätzlich gibt es zu einigen der aufgeführten Kategorien auch Quicktime-Videos mit bis zu 60 Sekunden Länge. Diese und andere - teilweise interaktive - Lernangebote finden sich auch auf der Seite The Physic Classroom und den Makeup Labs auf demselben Server, da für die Aufgaben aber teilweise ein internes Login vorausgesetzt wird, werden sie hier nicht weiter berücksichtigt. Auch in der klassischen Physik ist m.E. trotz des eher spärlichen Angebotes erkennbar, dass Computeranimationen viele physikalische Vorgänge besser erklären können als dies mit herkömmlichen Medien möglich ist. Für komplexere Forschung mögen die Übertragungsraten im Internet und die herkömmliche Rechenkapazität noch nicht ausreichend sein, bei der zu erwartenden Ausweitung dieser beiden Faktoren wird vermutlich aber auch hier das Anwendungsfeld in Zukunft weiter anwachsen.

      Für die Biologie eröffnen über das Internet zugängliche Animationen und Simulationen ebenfalls weitreichende Möglichkeiten. Die Frage, ob durch das Sezieren virtueller Frösche das reale Sezieren entbehrlich wird, vermag ich nicht zu beurteilen, zumindest kann auf diese Weise aber auch interessierten Nicht-Biologen Einblicke in eine anatomischen Untersuchung vermittelt werden (vgl. hierzu die - sogar mehrsprachige - Gif-Animation unter lnk b1). Hauptsächlich Bilder, allerdings eine umfassende Auswahl mikroskopischer Aufnahmen im Jpg-Format bietet The Nanoworld Home Page des interdisziplinären Centre for Microscopy and Microanalysis der University of Queensland, Australien (lnk.b2). Über die Image Gallery erreicht der Besucher die Image Database mit aktuell 202 Bildern, die Auswahl reicht dabei von Aufnahmen von Blutzellen (1) von Haaren (von Mäusen, Ratten, Europäern, Afrikanern, Chinesen, Indianerin und Malaien, -28), über Vergrößerungen von Insekten und Pflanzen (diverse) bis zu Stücken der Berliner Mauer (163), die Vergrößerung variiert von 16-fach (etwa beim Assassin Bug) bis 80.000-fach (200, Nano-Faser). Davon abgesehen werden dort "On-line Scanning and Transmission Electron Microscopy" für Schulen und unter dem Namen "Ask The Scientist" Online-Konferenzen mit der Software CU-SeeMe angeboten. An anderer Stelle sind es virtuelle Zellen mit interaktiv einstellbaren Anzeigemodi (lnk b3), welche dem Besucher neuartige Einblicke in Grundlagen der Biologie vermitteln.

      Eine umfassende Auswahl international verteilter Java-Animationen und -Simulationen schließlich finden sich auf der deutschen Website BioJava (lnk. b4). In den biologischen Kategorien: Anthropology, Artificial Life, Botany, Genetics, Microbiology, PopulationEcology und Zoology werden - teilweise mit Unterkategorien - mehrere Dutzend Java-Applets vorgestellt; etwa unter Artificial Live eine 3D-Lebens-Simulation von Milben (3D Life Model); unter Genetics lassen sich beispielsweise Gene, Anomalien und Klone der zur Erforschung der Vererbungslehre verwendeten Fliegenart Drosophila berechnen und anzeigen (Flies in your Java), ebenso findet sich hier ein interaktiv zu bedienendes Mendel'sches Erbsen-Experimen (Pea Experiment) und ein Genome Navigator, der die Genome verschiedener Bakterien nach Regionen unterteilt in Strichcodes anzeigt und weitere Eingrenzungen erlaubt (DerBrowser). Unter PopulationEcology liegt u.a. ein Matrix-Populationsmodell und das graphisch zu bedienendes Programm Java Demography, "[…] that simulates growth in age structured populations" (lnk b5). Erneut verzichte ich  auf den Versuch einer schriftsprachlichen Beschreibung der einzelnen Programme, der interessierte Leser möge sich statt dessen auch hier durch einen Besuch auf genannter Website (ebd.) einen eigenen Eindruck gewinnen.

      Das nächste Beispiel zeigt einmal mehr, wie sich schwierig häufig die Zuordnung einzelner Webangebote in konkrete wissenschaftliche Diszipline fällt. Die Guided Tour of the Visible Human (lnk b6) lässt sich sowohl der Biologie als auch der Medizin zuordnen. Inhaltlich komplex und mit vielen - teilweise animierten - Grafiken und Quicktime-Videos wird dem Besucher hier eine Reise durch einen virtuellen menschlichen Körper ermöglicht.
       
       

    7. Medizin: Von virtuellen Zellen und Gehirnen

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      Auch bei Betrachtung multimedialer Angebote im WWW für das Fachgebiet Medizin wird die deutliche Vorherrschaft amerikanischer Universitäten und Regierungsinstitionen deutlich. Aus diesem Grund handelt es sich bei nachfolgend aufgeführten Beispielen ausschließlich um US-amerikanische Websites, dies bedeutet nicht, dass es keine entsprechenden deutschen Seiten gibt, es spiegelt lediglich das Verhältnis der Präsenz der entsprechenden Angebote wieder.

      Auch in der Medizin sind es also vielfach 3D-Visualisierungen, welche die Wissensvermittlung unterstützen. Grafiken oder VRML Modelle, denen Daten von Computertomographen zugrunde liegen (lnk m1), ermöglichen nicht nur praktizierenden Medizinern den elektronischen Austausch von Patientendaten, sie eröffnen vor Allem auch Medizinstudenten ein Informationspotential, welches über das mithilfe von Fachliteratur und -presse erreichbare Maß weit hinausgeht. Den Umfang des vorhandene Angebot an multimedialen und interaktiven Websites in diesem Bereich versuche ich an folgendem Beispiel zu verdeutlichen: Die Sammlung medizinischer LinksWWW Sites des University of Connecticut Health Center (lnk m2) enthält unter der Rubrik Sites by Discipline die Kategorien: Alternative/ Complementary Medicine, Anatomy, Bioethics, Clinical Sites-Educational Focus, Dental-Related, Evidence-Based Medicine, Genomics or Molecular Biology, Histology, Interactive or Tutorial Sites, Pathology & Radiology und Pharmacology or Clinical Drug Trials. Unter Anatomy findet sich hier ein Verweis auf das Digital Anatomist Project und dessen derzeit rund vier Online verfügbaren interaktiven Anatomie-Atlanten mit 2- und 3-dimensionalen Grafiken (lnk. m3). Der Nutzen von Visualisierungen und 3D-Modellen in der Medizin ist offensichtlich, einen Eindruck des vorhandenen Angebotes vermittelt die Website Reconstruction Images/Movies (lnk. m4). Wie der Titel vermuten lässt, sind es hier häufig auch Videosequenzen (vielfach im Mpeg-Format), mit deren Hilfe körperliche und biologische Prozesse verdeutlicht werden, etwa das Neuron with network activation (ebd.).

      Solche Animationen sind allerdings nur eine der Möglichkeiten, WWW-Anwendungen in der Medizin sowohl zu Forschung- als auch zu Bildungszwecken einzusetzen. Wie in der Biologie sind es vor allem auch Simulationen, die das WWW auch als Lehrmedium für den Fachbereich interessant machen. Unter Interactive or Tutorial Sites findet sich auf der oben genannten Liste (lnk. m2) beispielsweise ein Link auf das Gegenstück zu den in bundesdeutschen Medien häufig präsentierten Cyber-Doktoren, den derzeit wohl noch einzigen interaktiven Patienten auf den Seiten der Marshall University School of Medicine (lnk m5). Verschiedene medizinische Fälle können vom Vorgespräch (History) über die physikalische Untersuchung inklusive Abtasten und -horchen (Physical Exam), die Auswertung von Labordaten und Röntgenaufnahmen (Labs/X-Ray) bis zur Diagnose (Diagnosis) mit multimedialer Unterstützung abgearbeitet werden. Entsprechend gibt es natürlich auch das Virtual Hospital (lnk m6)der University of Iowa, u.a. auch mit mehreren Dutzend sogenannten Multimedia Textbooks zu unterschiedlichen Themen.

      Eine weitere interessante Simulation befindet sich unter dem Namen BERP: Basic Embryology Review Program (lnk. m7). Hier kann die Entwicklung eines menschlichen Embryos von der Befruchtung bis zur Geburt nachvollzogen werden. Mittels JavaScript ermöglichen dabei verschiedene zusammenhängende animierte Grafiken mit Erläuterungen und eine Zeitskala eine interaktive und übersichtliche Bedienung - auch wenn bislang nur die Sektion Overview öffentlich verfügbar ist.

      Abschließend sei noch ein weiterer interaktiver medizinischer Atlas erwähnt, The Whole Brain Atlas (lnk m8) der auf dem Server der Harvard Medical School zur Verfügung steht. Mithilfe von Java-Applets, Grafikdateien und Erläuterungen kann der Besucher hier umfangreich die Funktionen des menschlichen Gehirns untersuchen, wahlweise an einem gesunden oder einem mit diversen Hirnerkrankungen geplagten Organ. Den unterschiedlichen Darstellungen liegen dabei auch hier mittels Computertomographen ermittelte Daten zu Grunde.
       
       

    9. Sprache und Multimedia

    10.  

       
       
       

      Aus dem Bereich der Sprachwissenschaft sind bislang nur vereinzelt multimediale Projekte im Internet vertreten. Obwohl sie häufig nicht aus diesem Bereich kommen, ist die Vielzahl der online verfügbaren Enzyklopädien und Wörterbücher  sicher dennoch auch für sprachwissenschaftliches Arbeiten interessant. Sucht man solche Websites allerdings nicht nur als Hilfe bei Übersetzungen (etwa das English/German Dictionary LEO, lnk. s1), sondern als interaktive Nachschlagewerke, so zeigt sich schnell, dass viele dieser Angebote entweder nur begrenzten Zugang ermöglichen ( so erlaubt z.B. Meyers Lexikon nur drei gleichzeitige Benutzer, lnk. s2), oder nach einer 30tägigen Testphase nur als lizensierter, sprich zahlender Kunde (z.B. die Encyclopaedia Britannica, lnk. s3) nutzbar sind. Eine andere interessante Form sind sicherlich die multimedialen Übersetzungs- und Sprachlernangebote, die sich im Internet finden. Hier gibt es zum Einen kommerzielle Angebote, die beispielsweise für eine Sprach-CD werben und einen Teil des Inhaltes quasi als Marketing verfügbar machen, etwa von der CD Hindi Guru (lnk s4). Dort findet der Besucher eine kleines, jeweils mit der englischen Bedeutung versehenes Hindi-Vokabular in lateinischer Schrift, dessen einzelne Wörter durch Mausklick auch anhörbar sind. Auch das Hindi-Alphabet ist in Auszügen dargestellt, außer der Hörprobe gibt es jeweils eine kleine Grafik-Animation, in der ein virtueller Stift langsam das jeweilige Zeichen zieht. Das Angebot Fluent Tibetian (lnk. s5) ist ähnlich spärlich: Gerade eine von anscheinend mindestens zwölf Lerneinheiten steht dem Besucher zur Verfügung. Diese enthält im Vokabelteil 24, unter Dialog nur 15 Beispiele die allerdings sowohl englisch-tibetisch als auch umgekehrt übersetzt werden können - dabei ist die Übersetzung jeweils auch als Aif-Audiodatei verfügbar. Diese beiden letztgenannten Beispiele sind zwar zum gründlichen Arbeiten ungeeignet, sie eröffnen dennoch einen Eindruck von den Möglichkeiten, die das WWW auf diesem Gebiet bietet.

      Insbesondere aufgrund der deutlichen Dominanz der englischen Sprache in diesem Medium, die nicht des Englischen mächtige Regionen von dieser neuen Form globalen Informations- und Wissensaustausches ausgrenzt, ist es erfreulich, dass auch größere multilinguale Projekte im Web vertreten sind. Ein internationales Gemeinschaftsprojekt, welches in seinem Umfang bislang wohl einmalig ist, stellt die in Italien beheimatete Logos Group dar. Die Eigendefinition auf der LOGOS Home-Page (lnk. s6) als Wörterbuch ist zwar formal korrekt, das Angebot geht allerdings weit über das hinaus, was von herkömmlichen Wörterbüchern erwartet werden kann. Auf einen Grundbaustein des Internet aufbauend - nämlich an den einzelnen Besucher appellierend, sich interaktiv an der Erweiterung und Verbesserung zu beteiligen, enthält Logos zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Arbeit 7.580.560 Einträge. Bereits für die Startseite kann der Besucher dabei aus über zwei Dutzend Sprachen auswählen. Über ein einfach zu bedienendes Eingabeformular können auch Anfragen für bislang nicht übersetztes Vokabular erfolgen, dabei können Source und Target Language entweder aus den über 150 Sprachen (von (Afan) Oromo bis Zulu) einzeln oder komplett ausgewählt werden - natürlich kann in diesem Forum auch direkt nach bereits vorhandenen Einträgen gesucht werden. Die einzelnen Kategorien sind teilweise sehr komplex, so enthält z.B. Sinologos ein umfangreiches chinesisches Wörterbuch oder Wordtheque eine Literaturdatenbank mit derzeit 11.176 Einträgen (Romane, technische Literatur und übersetzte Texte) in über 100 Sprachen. Ich habe Logos in diese Arbeit aufgenommen, obwohl dort keinerlei Multimediadaten direkt präsentiert werden. Statt dessen wird dort die Hypertextstruktur genutzt um (u.a. über die Suchmaschine Lycos) Seiten mit entsprechendem Inhalt zu finden: nach der jeweiligen Übersetzung zeigen verschiedene Buttons, ob weiterführende Informationen zur Bedeutung existieren, wobei auch externe Quellen berücksichtigt werden. Einer dieser Buttons zeigt dabei an, ob grundsätzlich Audiodaten verfügbar sind, anhand der Farbe ist dabei erkennbar, ob es sich um das gesprochene Wort oder um andere relevante Dateien handelt (etwa Walgesänge unter dem Suchbegriff Wal).

      Im Gegensatz zu den aufgeführten Naturwissenschaften finden sich für den sprachwissenschaftlichen Bereich allerdings kaum animierte oder gar programmierte multimediale Anwendungen. Da sich auch für andere geisteswissenschaftliche Bereiche nur vereinzelt entsprechende Beispiele finden lassen, liegt die Vermutung nahe, dass die technischen Anforderungen für geisteswissenschaftliche Lehr- und Forschungsinstitutionen häufig zu groß sind, bzw. die Kooperation mit entsprechend kompetenten Partnern zu gering ausfällt. Ob dies in einem Kulturpessimismus begründet liegt, nach welchem neue Medien von vielen Seiten erst einige Generationen skeptisch begutachtet werden müssen, bevor sie als Hilfe zur Wissensvermittlung eingesetzt werden, oder ob Berührungsängste und die Konnotation Unterhaltung, die ja häufig mit dem Begriff Multimedia verbunden wird, den Einsatz dieser Techniken derzeit noch begrenzen - es besteht die Gefahr, eine Form der Informationsvermittlung zu vernachlässigen, die m.E. für alle wissenschaftlichen Fachbereiche bislang noch nicht vollständig absehbare Vorteile in sich birgt. Risiken, die der Einsatz neuer Technologien und Kommunikationsformen ebenfalls mit sich bringt, sollten sicherlich nicht unterschätzt werden, sie können allerdings nur erkannt werden, wenn mit diesen neuen Formen auch tatsächlich wissenschaftlich gearbeitet wird.

      Abschließend möchte ich an dieser Stelle noch auf zwei Ausnahmen des genannten Defizits verweisen, die aus dem Bereich Sprachwissenschaft kommen: In der Testversion des Projektes Mimig an der Universität Köln in Kooperation mit Professor Jäger, Lehrstuhl für deutsche Philologie an der RWTH Aachen (lnk.s7) können mittels einer Shockwave-Animation Videos mit Gebärdendarstellungen bestimmter Alltagskommunikationen abgerufen werden (derzeit lauffähig ist ausschließlich die Kategorie "Markt", demnächst vermutlich auch "Restaurant" und der "Gebärdentrainer"). Das Projekt hat zum Ziel "ein multimediales Lehr-Lernsystem zur Unterstützung des Erwerbs der Deutschen Gebärdensprache zu erstellen" (ebd.), welches dann auch im Internet einsetzbar sein soll.

      Ein anderes Beispiel ist die Seite Kuntermund und Löwenmaul (lnk. s8) auf dem Linguistik Server Essen (LINSE). Hier befinden sich - ebenfalls in Form von Shockwave-Animationen - derzeit drei sogenannte Lernpäckchen für Linguistikstudenten. Grafisch verständlich und nachvollziehbar aufgebaut, kann sich der Besucher mit Bühlers "Organon-Modell der Sprache", mit de Saussures "Kreislauf des Sprechens" oder seinen Gedanken zu "Zeichen, Bezeichnendes und Bezeichnetes" auseinandersetzen.
       
       

    11. ... und viele andere Nutzungsmöglichkeiten

    12.  

       
       
       

      Die vorgestellten Wissenschaftsbereiche stellen natürlich nur einen Bruchteil des im World Wide Web vorhandenen multimedialen Angebots dar, die Unterschiedlichkeit zeigt aber deutlich, wie vielseitig die Nutzungsmöglichkeiten solcher Formen für Forschung und Lehre sind. Die vorgestellten Beispiele stammen allesamt aus Fachbereichen, die nach meinen Recherchen eine Führungsrolle bei der Einbindung multimedialer WWW-Formate innehaben; es sollen aber hier noch einige andere Anwendungsbereiche aus anderen Disziplinen für solche Formen der Wissensvermittlung genannt werden.

      So gibt es entsprechende Angebote selbstverständlich auch auf dem Gebiet der Fachgebiete, die sich mit der Netzwerktechnik selbst beschäftigen, beispielsweise auf den Informatik-Seiten des Bereichs für Angewandte Computerwissenschaft IV der Universität Mannheim. Dort findet sich eine Auswahl multimedialer Java-Applets für Studierende (lnk. d1) . Hier werden unterschiedliche Übertragungsprotokolle, etwa das ISO / OSI Modell mit oder ohne Audiounterstützung erklärt, Local Area Networks vorgestellt (etwa (Token Ring) oder Flußkontrollmechanismen und Routing Algorithmen (etwa das Routing Information Protocol RIP oder auch Multicast im Wide Area Network WAN, bzw. im Local Area Network LAN) anhand von Simulationen erklärt. Ein anderes, weitaus komplexeres Beispiel ist das Tutorial über Künstliche Neuronale Netzwerke (lnk. d2). Die aus dem Spanischen auch ins Englische und Deutsche übersetzten Seiten bieten nicht nur eine mit Grafiken und Mpeg-Videos visualisierte Einführung "[..] in die verschiedenen Felder der Neuronalen Netzwerke [...]" (ebd., Einleitung)- eine Unix-Arbeitsumgebung vorausgesetzt wird dem Benutzer zusätzlich die Möglichkeit offeriert, mithilfe des Stuttgart Neural Network Simulator (SNNS) ein eigenes Neuronales Netzwerk zu installieren und zu trainieren (ebd., Beispiel). Leider bilden solche Beispiele, in denen mit Unterstützung neuer Technologien ebendiese anschaulich erklärt werden, bislang auch in der Informatik eher die Ausnahme. Da sich mittels multimedialer Formate entsprechende Grundlagen auch für nicht aus der Informatik nahestehenden Wissenschaftsbereichen kommenden Interessierte erschließt, ist das Fehlen solcher Beispiele bedauerlich.

      Trotz der bereits angesprochenen Defizite auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften gibt es auch dort Ausnahmen, etwa die AERIA (Antikensammlung ERlangen Internet Archive, lnk. d3). Obgleich ausschließlich mit 2-dimensionalen Grafiken gearbeitet wird, erlauben die verschiedenen Kategorien anschaulich Einblicke in unterschiedliche Bereiche antiker Lebensgrundlagen. Die Struktur der Verbindung von kurzen Textpassagen mit unterschiedlichen Grafiken zeigt, dass multimediale Anwendungen nach der eingangs genannten Definition nicht unbedingt Audio- oder Videounterstützung bedingen; das "Miniaturhaus von Archanes" in der Forschungsstation etwa ist einerseits als Foto (des originalen Tonmodells) abgebildet und wird natürlich schriftsprachlich erläutert, zusätzlich gibt es aber auch eine Skizze sowie ein Computermodell (hier wäre die Umsetzung in ein VRML-Modell allerdings vorteilhaft). Im virtuellen Museum sind u.a. Steinwerke (Statuetten, Reliefs) oder Vasen (von mykenisch bis nichtattisch schwarzfigurig) zu besichtigen, im Pavillon sind im Experiment "Sokrates besucht die Friedrich-Alexander-Universitaet Erlangen-Nuernberg am Ende des 2. Jahrtausends" die Eindrücke einer wandernden Statue festgehalten - insgesamt wird dem Besucher auf den Seiten der Klassischen Archäologie der Philosophischen Fakultäten ein interessanter Einblick in deren wissenschaftliche Arbeit vermittelt. Ein eher negatives Beispiel ist dagegen das archäologische Interactive Tutorial, das als Beispiel für Educational Technology seitens des Bureau for Academic Support Services der University of Pretoria in Südafrika vorgestellt wird (lnk. d4): Ebenfalls mit Text-Bild Verknüpfungen ist es vor allem die Tatsache, das hier insgesamt nur acht Seiten die menschliche Entwicklungsgeschichte bebildern, die das Angebot als spärlich erscheinen lässt.

      Bei Betrachtung des Angebots aus dem Bereich Geschichte ist ein Phänomen zu beobachten, welches einmal mehr die große Kluft zwischen Natur- und Geisteswissenschaften bei der Nutzung multimedialer Internetformate aufzeigt. So sind seitens der Historiker kaum entsprechende Angebote vorhanden, dafür gibt es z.B. aus dem Bereich Physik sogenannte Exhibitions, die sich mit der jeweils eigenen Geschichte befassen - beispielsweise mit Albert Einstein (lnk. d5). Hierbei wird ebenfalls mit Text-Bild-Verknüpfungen gearbeitet, aber auch einzelne Audiobeispiele, etwa von Reden Einsteins, sind abrufbar.

      Innerhalb des vergleichsweise mageren Angebots der Geisteswissenschaften sind es vielfach nicht die einzelnen Modelle oder Systeme, die mit multimedialer Unterstützung präsentiert werden, sondern das zugehörige Handwerkszeug, dass z.B. in Form interaktiver Tutorials (lnk. d6) oder Java-Applets zur Statistik vorgestellt wird - entsprechende Beispiele finden sich z.B. auf der bereits vorgestellten Seite BioJava (lnk. b4). So gibt es dort einen Rechner für deskriptive Statistik oder für die Pearson'sche Korrelation. In der Kategorie Politics zeigen einzelne Anwendungen, das sich auch auf diesem Gebiet die Nutzung entsprechender Formate anbietet - hier lässt sich etwa die Power of Nations bestimmen oder die Berechnung eines Verteidigungsetats simulieren (ebd.).

      Ein anderes Gebiet, in dem sich die Nutzung multimedialer Anwendungen anbietet, ist die Psychologie. Vor allem optische Illusionen lassen sich im WWW exzellent darstellen, sei es ausschliesslich mit 2-dimensionalen Grafiken, mit Unterstützung von Java-Applets (beide Formen finden sich z.B. in der Visual Illusions Gallery auf der Landrigan Page, lnk d7) oder sei es mit Shockwave-Dateien - z.B. bei der Darstellung interaktiver Illusions-Puzzles auf den Seiten von Illusionworks (lnk. d8). Auf der erstgenannten Seite existiert nicht nur eine Vielzahl an erläuterten Beispielen, sondern auch Links zu diversen Tutorials, die das Verständnis der Verarbeitung von sinnlichen Wahrnehmungen erleichtern. Diese befinden sich unter der hannoverschen Website Psychological Tutorials and Demonstrations (lnk d9), ebenso wie eine ausführliche Liste solcher und ähnlicher Anwendungen.

      Wenn man, wie in dieser Arbeit geschehen, den Bereich der Nutzung von Hochleistungsrechnern über das Internet nicht berücksichtigt, so ist zu konstatieren, dass es auf dem Gebiet der Architektur kaum virtuelle Präsentationen gibt. Obwohl sich VRML als Basis für entsprechende Anwendungen anbietet, scheinen die Grenzen von Datenmenge und Übertragungskapazitäten den jeweiligen Verantwortlichen wohl zu begrenzt, um architektonische Planungen und Realisationen im Internet 3-dimensional zur Verfügung zu stellen; so konnte ich trotz ausführlicher Suche nur wenige Beispiele finden. Diese beschäftigen sich jedoch allesamt mit den Baukünsten vergangener Epochen, die Seite "Archäologischer Park in Xanten" etwa enthält die aufgearbeiteten Ergebnisse einer CAD-Rekonstruktion an der Universität Dortmund (lnk d10). Imagemaps als anklickbare Karten erlauben dem Besucher hier einen Ausflug in die antike römische Stadt. Mit ebensolchen Imagemaps wird auch die Darstellung der Stufenpyramide von Djoser (lnk d11) oder die Vielzahl an Beispielen antiker Baukunst im Nahen Osten auf der Seite "Archimedia" (lnk d12) der Universität Haifa, Israel, realisiert. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieses Fehlen an frei zugänglichen VRML-Visualisierungen in der Architektur in absehbarer Zeit ändert und - wie beispielsweise auch in der Geologie (lnk. d13) - demnächst auch für Nicht-Architekten virtuelle Raumszenarien auf der Grundlage architektonischer Planungen einsehbar sind.

      Abschließend bleibt festzuhalten, dass es natürlich eine Vielzahl weiterer multimedialer Internetangebote im WWW gibt, vor allem in den USA ist durch die enge Verknüpfung staatlicher Institutionen mit dem Sektor Educational das Angebot entsprechen groß. So finden sich auf den Seiten der NASA (vgl. lnk. a5) neben den bereits erwähnten Beispielen z.B. auch diverse interaktive Touren, die von einer gemeinsamen Startseite, dem Ocean Planet Floorplan (lnk. d14) erreichbar sind und den Besucher die vielfältigsten Einblicke in die Ozeanographie erlaubt, dabei sind sowohl atmosphärische Eindrücke (etwa Walgesänge) als auch detaillierte Informationen über die einzelnen Forschungsstationen abrufbar. Wie viele andere ist auch dieses Angebot so komplex, dass dem Leser an dieser Stelle ein Besuch auf der entsprechenden Seite nahegelegt wird, um einen eigenen Eindruck zu gewinnen. Gemein ist allen Web-Angeboten der NASA die starke Verpflechtung wirtschaftlicher Interessen und wissenschaftlicher Forschung, deren Inhalte für Interessierte aller Altersgruppen aufgearbeitet werden - so finden sich in allen Bereichen auch spezielle Seiten mit Educational Materials (ebd.) oder Angebote für Kids Only (vgl. lnk. a5).
       
       
       
       

  7. Ausblick

 
Ziel des vorliegenden Kapitels "Multimediale und interaktive Wege der Wissensvermittlung im Internet" ist es, Einblicke in die vielfältigen Möglichkeiten multimedialer Lehr- und Lernformen im WWW zu geben. Auch wenn die vorgestellten Beispiele und die aufgeführten Bereiche nicht repräsentativ sein können - sie sind wie erwähnt im Labyrinth der globalen Hypertextstruktur gesucht und gefunden worden - so hoffe ich, durch die Vielseitigkeit der vorgestellten Beispiele dem Leser auch Anregungen für eigene multimediale Projekte geben zu können, welche die Globalisierung des Wissens weiter vorantreiben.

Chancen und Risiken, die neue multimedialer Informations- und Kommunikationsformen im Internet in der Wissenschaft mit sich bringen, werden m.E. noch viel zu sehr durch eine starke Euphorie auf der einen und einer starken Ablehnung auf der anderen Seite geprägt.

Auch bei Betrachtung einiger der hier vorgestellten Beispiele sind grundsätzliche soziale, moralische und ethische Fragestellungen zu erkennen, etwa nach den Veränderungen sozialer Beziehungen der sogenannten Netizens (Netzbürger, abgeleitet von Citizen), nach der Entfremdung vom Objekt (in der Medizin: vom Patienten) durch virtuelle Versuche oder einfach nach Veränderungen im Kommunikationsverhalten. Für solcherlei Diskurse ist aber eine möglichst unabhängige Auseinandersetzung mit der Thematik seitens der verschiedenen Wissenschaften erforderlich, die zwar vereinzelt zu erkennen ist (in Bezug auf das Kommunikationsverhalten vgl. z.B. Runkehl u.a., lit. 4), der jedoch m.E. andernorts noch viel zu geringe Bedeutung beigemessen wird. Die anfangs angesprochene Zunahme der Netzkapazität durch neue Übertragungswege oder einfach nur bessere Komprimierungsverfahren, die Geschwindigkeit der technischen Entwicklung im Bereich Computer und Netzwerke und die Investitionszunahme seitens der Industrie, das rasante Anwachsen der ans Internet angeschlossenen Haushalte und die Entwicklung dessen Nutzung vom Freizeit zum Alltagsmedium (vgl. für die Bundesrepublik z.B. Media Perspektiven Basisdaten, Onlinenutzung: Zeiten und Dauer, S. 83, lit. 1) sowie die Entwicklungen von neuen Medienverbundsystemen (etwa die Internetnutzung über den Fernseher oder wearable computing Systemen, in die u.a. Sprachsteuerung und -ausgabe integriert sind, vgl. hierzu lnk. A) legen nahe, dass sowohl das Internet selbst als auch die entsprechenden Multimediaanwendungen weiter stark anwachsen werden; so liegt es auch an den einzelnen Wissenschaftlern, ob eine mit genannten Entwicklungen einhergehende Kommerzialisierung (eventuell auch Trivialisierung) einfach nur skeptisch beobachtet, oder ob dieser innovative Formen der Wissensvermittlung gegenübergestellt werden.

Das Internet selbst ist durch die Wissenschaft gewachsen, insofern besteht m.E. vielleicht sogar eine historische, auf jeden Fall aber eine politische Verpflichtung, die Ideale der freien Zugänglichkeit wissenschaftlicher Informationen gegen eine Industriepolitik zu verteidigen, die auf kostenpflichtige Lizensierungen der Netzangebote, auf Informationsmonopole sowie auf die Überwachung und Zensur übertragener Inhalte setzt (vgl. hierzu z.B. verschiedene Beiträge bei Faßler und Halbach, lit. 2). Schon heute stammen große Teile der zur Verfügung stehenden Untersuchungen über das Internet und das Verhalten seiner Benutzer nicht mehr aus unabhängiger Forschung, sondern von Marktforschungsinstituten, die - mit Softwareherstellern und Website-Anbietern zusammenarbeitend - ihrem Ideal des "gläsernen Konsumenten" ein gehöriges Stück näher gekommen sind. Aufklärung über und Widerstand gegen solcherlei Entwicklungen findet sich hauptsächlich seitens unabhängiger Organisationen, in Deutschland etwa dem Chaos Computer Club (CCC, s. lnk. B), in den USA der Electronic Frontier Foundation (EFF, s. lnk. C) und der zugehörigen Blue Ribbon Campaign. Auch hier wäre eine stärkere Präsenz kompetenter Wissenschaftsbereiche wünschenswert, wofür m.E. aber nicht nur die technologische, sondern auch eine stärkere inhaltliche Vernetzung - also gleichsam ein höheres Maß an Interdisziplinarität - Voraussetzung wäre. Einige der vorgestellten Beispiele liefern eine Vorstellung davon, was solcherlei wissenschaftsübergreifende Projekte zu leisten imstande sind.


 

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Die Bedeutung des Usenet für die wissenschaftliche Arbeit -

Untersuchung anhand einiger exemplarischer Newsgroups

von Lena Falkenhagen (Lena@Falkenhagen.de)


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung *

2. Was ist eine Newsgroup? *

   2.1. Moderierte Groups *

3. Ansprüche von Newsgroups *

4. Durchsetzung der Ansprüche *

   4.1. Allgemeine Newsgroups *

   4.2. Moderierte Newsgroups *

5. Vor- und Nachteile von Newsgroups bezogen auf wissenschaftliches Arbeiten *

   5.1. Öffentlichkeit & Verfügbarkeit *

   5.2. Anonymität *

   5.3. Die Unüberprüfbarkeit von Behauptungen *

   5.4. Quellenangaben und Zitierung *

   5.5. Qualität vs. Quantität *

6. Die Praxis wissenschaftlichen Arbeitens im Usenet *

7. Wechselwirkungen Medium/Kommunikation *

8. Fazit *

9. Literaturangaben *
 
 

1. Einführung


Newsgroups sind ein weltweites Medium der Kommunikation. Mit der Verbreitung des Internetzuganges für viele Privathaushalte, Universitäten und Firmen hat sich auch die Nutzung von Newsgroups erhöht. Die Fragestellung, unter der ich arbeite, ist, ob wissenschaftliches Arbeiten im Usenet möglich ist.

Newsgroups zu untersuchen, stellt sich nicht ganz einfach dar. Zum einen gibt es ihrer einfach sehr viele zu den vielfältigsten Themengebieten, zum anderen definiert sich jede Newsgroup selbst und läßt sich so schlecht mit anderen vergleichen. Doch natürlich existieren in fast allen Groups vergleichbare Phänomene, die durch die Struktur des Usenet an sich verursacht werden und die es hier zu untersuchen gilt.

Ich habe mich in dieser Arbeit hauptsächlich auf die Gruppen de.etc.sprache.deutsch, sci.psychology.psychotherapy.moderated, sci.math (kurz auch alt.math.moderated) und sci.physics.research (moderated) gestützt, um sowohl geisteswissenschaftliche wie naturwissenschaftliche Foren miteinander vergleichen zu können. Eine der Gruppen ist deutsch, die anderen englisch. Unabdingbar fand ich auch die Untersuchung von moderierten im Gegensatz zu unmoderierten Gruppen, um daran eventuell Probleme der einen oder anderen Form aufzeigen zu können.

Nachdem ich also zunächst generell auf Newsgroups und ihre Ansprüche und Ausprägungen eingehen werde, komme ich auf die Vor- und Nachteile der wesentlichen Merkmale dieser Art der Kommunikation zu sprechen, wie z. B. die in Groups vorherrschende Anonymität und die unvermeidliche Öffentlichkeit. Zum Schluß gehe ich auf die tatsächliche Usenet-Praxis ein, das heißt, wie die Realität diesbezüglich aussieht.

Zitate aus dem Usenet gebe ich im Folgenden bis auf Ausnahmen immer als ganzes Posting an, um die sowieso schon aus dem Kontext gerissenen Beiträge nicht noch zusätzlich zu verstümmeln. Zusätzlich dazu liefert Netscape in seinen Postings keine Message-ID mit, die Informationen im angegebenen Header sollten allerdings als Quellenangabe ausreichen.
 
 
 
 

2. Was ist eine Newsgroup?


Das Usenet ist ein Netzwerk von Host-Computern, die nach Themen sortierte Nachrichten austauschen und in sogenannten Newsgroups ablegen. Dieses Usenet, also ein Verbund aller Newssysteme, besteht aus inzwischen über 20.000 unterschiedlichen globalen und regionalen Newsgroups, die für alle öffentlich zugänglich sind.

Der Ursprung des Usenet begann 1979 ursprünglich als ein experimentelles Bulletin-Board-System an der Universität von North Carolina. Inzwischen ist es neben dem World Wide Web eines der am meisten genutzten Teile des Internets geworden.

     

(1)

Ein jeder Beitrag (engl.: posting), der von einem Teilnehmer (auch engl.: user) eingesendet wird, wird der weltweit daran teilnehmenden Leserschaft veröffentlicht. Das Usenet, das als Unix-Rechnerverband begann, inzwischen aber synonym für das gesamte Newsgroup-Netzwerk steht, findet hauptsächlich Nutzung als Hobby. Newsgroups werden auf Antrag einzelner User eingerichtet, wenn sich in der administrativen Gruppe news.announce.newgroups von 100 eingegangenen Stimmen eine 2/3-Mehrheit für das neue Diskussionsforum findet. Antragsteller sind häufig themeninteressierte Benutzer des Usenet, die sich mit Gleichgesinnten aus aller Welt über ihr Lieblingsthema austauschen möchten. Im Prinzip kann aber jeder, der einen Zugang zu einem Newsreader (ein Programm zum Verarbeiten der Beiträge des Usenet) hat, einen Antrag auf Erstellung einer neuen Gruppe einreichen. (2)

Das Computer-Network (3) Glossary definiert Newsgroups folgendermaßen (4):


Think of newsgroups as worldwide bulletin boards, organized more or less stringently around a topic. Some are technical, others silly--and some you don't even want to know about.

     

Die deutsche Industrie- und Handelskammer Aachen gibt in ihrem Glossar zu Internet-Begriffen auf ihrer Homepage folgende Definition (5):


Diskussionsforen im Internet zu verschiedenen Themen. Die Nachrichtenbereiche des Usenet, die in verschiedene Themen unterteilt sind. Der Anwender kann sich per E-Mail daran beteiligen.

     

Sowohl das englische bulletin-board (nach dem Duden Oxford Großwörterbuch Englisch = Anschlagtafel, Schwarzes Brett) wie auch das deutsche Diskussionsforum enthalten noch keine Wertung zur wissenschaftliche Verwendung dieses Kommunikationsmediums, da eine Diskussion allein eine Erörterung von Themen beschreibt, nicht deren Natur oder Inhalte.

Eine allgemeingültige Erklärung, wozu Newsgroups erstellt wurden und wie sie sich selbst verstehen, existiert nicht, jede Group definiert sich über ihre Charta selbst, in der die gewünschten Themen und Diskussionsformen von den Erschaffern der Gruppe festgelegt werden (später kann die Charta auf Votum der Leserschaft geändert werden).

Deutlich werden in den obigen Definitionen die Vielzahl an Themen, die freie Beteiligung, die relativ ungeordnete Struktur der Newsgroups und deren weltweite Verbreitung – alles Merkmale, die zur Prägung der Art der Kommunikation beigetragen haben, wie ich weiter unten noch erläutern werde.
 
 

2.1. Moderierte Groups

Moderierte Groups unterscheiden sich von den allgemeinen Groups durch einen oder mehrere Moderatoren. Diese Moderatoren erhalten unterschiedliche Befugnisse, um die in der Charta festgelegten Bedingungen durchzusetzen. Die Gruppen sci.physics.research (moderated), sci.psychology.psychotherapy.moderated und alt.math.moderated sind moderierte Newsgroups, die sich jedoch in der Art der Moderierung unterscheiden.

Wie zum Beispiel aus diesem Posting ersichtlich, empfängt der Moderator in sci.physics.research (moderated) die eingesendeten Beiträge und kürzt eigenständig und ohne Nachfrage etwa zu langen Zitattext oder empfiehlt die Verlegung einer Diskussion auf die Ebene der Email:


Subject: Re: Godel theorem
Date: Thu, 6 May 1999 03:05:56 GMT
From: Name@IP-Adresse
Newsgroups: sci.physics.research

We do have better paradigms than mysticism! :)
http://www.cs.brown.edu/~pw/papers/coal.pdf
and
http://www.newscientist.com/ns/19990130/iisthelaw.html
Later,
Vorname

Vorname Name<Name@IP-Adresse> wrote:
>Vorname Name wrote:
>>
>> > I think the rough translation of Godel's theory to
>> > physics goes something like this:- science can answer
>> > any question which is properly adressed to it but it
>> > cannot answer every question that is properly
>> > addressed to it.
>
>> In physics, wouldn't this condition mark a paradigm shift? An opening to
>> the development and utilization of additional methods, techniques and
>> procedures in the next phase of science?
>
>Possibly.
>If Penrose is correct the paradigm shift will be towards mysticism as an
>analytical tools.
>
>Vorname
>
>
>[Moderator's note: Further discussion of "mysticism as analytical tool"
>s hould go to e-mail or to another newsgroup. -MM]

     

In der Gruppe sci.psychology.psychotherapy.moderated (6) dagegen werden die Postings durch ein Moderationsprogramm gefiltert und an die Moderatoren verteilt, wenn der Poster nicht auf der sogenannten "Greenlist" stehen, durch die man unmoderiert an den Diskussionen teilnehmen kann. Durch die Vorauswahl gehen eventuell zweifelhafte Postings an die Moderatoren, die daraufhin den entsprechenden Beitrag entweder an die Gruppe senden oder an den Absender zurückschicken, eventuell mit Kommentaren versehen, weshalb das geschehen ist und was geändert werden müßte, um das Posting an die Gruppe senden zu können. Die Beiträge, die die Ansprüche der Charta nicht erfüllen, werden vom Moderator jedoch in keiner Weise editiert, wie das in anderen Gruppen üblich sein kann.

Im Gegensatz zu diesen beiden (teils) menschlichen Moderationsvorgängen wird die Gruppe alt.math.moderated ausschließlich von einem automatischen Moderator bearbeitet:


alt.math.moderated is a new math newsgroup. The "moderator" is a robomoderator program which asks that you check that your posting is appropriate for alt.math.moderated, whether your question is answered in an FAQ, etc., before posting.

     

(7)

Über die genaue Art der Moderation durch dieses Moderationsprogramm wird auch in der Charta nichts gesagt, allein eine Angabe von angemessenen und unangemessenen Postings folgt.

Dort ist auch der Grund zu finden, warum Groups moderiert werden:


alt.math.moderated is a general math newsgroup. It is not for
discussions of math or math teaching at the elementary-school or high-school
level. If you want to discuss alt.math.moderated in alt.math.moderated,
go ahead.
Before posting to alt.math.moderated, please ask yourself these questions:
-- Is your posting about math? If not please take alt.math.moderated out
of the Newsgroups: line.

     

Moderation dient der Durchsetzung der wissenschaftlichen Ansprüche in den moderierten Newsgroups, die ohne eine solche Überwachung häufig in Mittelmäßigkeit und Off-Topic-Diskussionen abgleiten.
 
 
 
 

3. Ansprüche von Newsgroups

Um die Ansprüche untersuchen zu können, die eine Newsgroup an sich selbst stellt, muß man die zugehörigen Chartas heranziehen. Eine Charta beschreibt den Sinn und Zweck der Group, für die sie erstellt wurde, und kann auf Wunsch der aktuellen Teilnehmer geändert werden. Was nicht der Charta (engl. charter) entspricht, ist off-topic und gehört nicht in die Group, die Verlegung auf den Email-Verkehr oder in eine andere Newsgroup ist in diesem Fall erwünscht.

Die Charta der Newsgroup de.etc.sprache.deutsch zum Beispiel ist recht weitläufig gefaßt und besitzt als einschränkendes Merkmal nur das Thema "Sprache" (8):


»Die Gruppe de.etc.sprache.deutsch dient als Forum für Themen, die die deutsche Sprache betreffen. Dies umfaßt Fragen und Antworten zu Grammatik, Rechtschreibung und Etymologie, schließt aber auch kontroversere Themen wie Übersetzungen, Sprachgebrauch, Stil und Reformmöglichkeiten nicht aus. Sie ist kein Ersatz für Wörterbücher oder Grammatiken; diese sind gegebenenfalls _vor_ einer Äußerung zu
befragen. Englischsprachige Artikel sind willkommen. Bedingt durch das Thema ist die Verwendung von Umlauten und anderen benötigten Sonderzeichen in durch RFCs sanktionierten Kodierungen ausdrücklich erwünscht.«

     

Danach folgen noch weitere Konventionen und die FrequentlyAskedQuestions-Liste der Gruppe.

Im Gegensatz zu der Sprache-Gruppe schränkt die moderierte sci.psychology.psychotherapy.moderated in ihrer Charta (9) auch den Kreis der aktiven Teilnehmer der Newsgroup ein:


Sci.psychology.psychotherapy.moderated (hereinafter "sppm") exists as a forum for the discussion of psychotherapy. Anyone with an interest in such discussion is welcome. This would include practitioners of all types (psychologists, psychiatrists, marriage/family counselors, social workers, etc.), students of therapy, and therapy clientele.

     

Zwischen den beiden Chartas erkennt man deutliche Unterschiede, die für das Aufrechterhalten der Ansprüche der jeweiligen Gruppe relevant sind. Während in de.etc.sprache.deutsch hauptsächlich Angaben zu dem verwendeten Zeichensatz und der verwendeten Sprache gemacht werden und ansonsten nur die Einschränkung auf das Diskussionsthema "Sprache" in seinen Ausprägungen gemacht wird (was aber zum Beispiel Literaturdiskussionen aus dem Fachgebiet deutsch ausschließt), trifft man in sci.psychology.psychotherapy.moderated eine weit engere Auswahl des zukünftigen Users, wie Psychotherapeuten und Sozialhefer, beschränkt sich jedoch nicht darauf, sondern läßt generell alle Benutzer mit einem Interesse daran zu – schließlich ist das Usenet ein öffentliches Forum.

In der Charta von sci.psychology.psychotherapy.moderated wird wie in der ersten Charta eine Definition der gewünschten Themen gegeben, die allesamt mit dem Thema der Gruppe zusammenhängen, allerdings bemüht man sich hier einer erschöpfenderen Auflistung:


Appropriate and Inappropriate Posts:
Some examples of topics appropriate for discussion in sppm include (but are not limited to) the following: a particular type of psychotherapy (e.g., cognitive-behavioral, psychodynamic), or a comparison between two types. There will be no restrictions on the types of therapeutic modalities that are appropriate for discussion -- save for treatments that seem to have no obvious connection to psychology (e.g., palm-reading, crystals). The latter will not be accepted, unless a clear, plausible connection to psychology is made. A particular psychological disorder (e.g., depression, eating disorder), a particular psychological theory (e.g., object relations theory, learning theory), as it relates to the material of therapy research relevant to psychotherapy psychopharmacological (drug) or other biological treatments, as they relate to psychotherapy diagnostic issues therapist training and supervision ethical issues faced by therapists trends in practice (e.g., emerging or alternative modalities), the relationship between psychotherapy and other fields of inquiry such as philosophy or religion (as long as the discussion remains focused on psychotherapy), career issues (e.g., establishing a private practice, coping with managed care), business related directly to psychotherapy (e.g., employment opportunities, equipment for sale), case studies (if and only if client anonymity is ensured), announcements and reports of meetings, conferences, and newsletters, including those put out by self-help organizations (please consider posting or cross-posting these to sci.psychology.announce, however), requests for information about a specific problem. However, those looking for exchanges characteristic of a support group should seek out an actual support group, as sppm was not designed to serve that function.

     

Da diese Gruppe moderiert wird, erhält der Leser der Charta nun noch eine Auflistung von unerwünschten Postings, die von den Moderatoren nicht an die Gruppe weitergeleitet werden, gleichsam als Richtlinie für den zukünftigen User:


The following are inappropriate for sppm, and posts containing them will be rejected: personal attacks, including allegations of professional misconduct (the latter should be brought to the attention of the appropriate authorities), discussions which wander far from the topic of psychotherapy (including spam), cross-posting to groups outside of the psychology topic area, unless the reason for crossposting is evident (e.g., cross-posting to a sci.med group when drug therapy is being discussed). Responses may be made to the same groups or a subset thereof without further justification. [Furthermore,] gross violations of netiquette. These may include, for example, excessive repetition -- defined as more than 90% quoted material, or posting more frequently than once per month an article with more than 90% unchanged text (moderators may change these value in the future, if they find them to be) -- or chronic misattribution of quoted text.

     

Wir erhalten also bei de.etc.sprache.deutsch allein grobe Richtlinien in Bezug auf unser Userverhalten, hier sind sowohl Themengestaltung wie auch Teilnahme nur vage umrissen und unter das Dachthema "Sprache" gefaßt.

Sci.psychology.psychotherapy.moderated dagegen stellt seine genaue Vorstellung sowohl von Themen- wie auch von Teilnehmerkreis vor. Zu welchen Vor- und Nachteilen dies gereicht, sei unter 4., Durchsetzung der Ansprüche, dargelegt.
 
 
 
 

4. Durchsetzung der Ansprüche

Im folgenden möchte ich anhand von Beispielen darlegen, wie die oben definierten Ansprüche in der Postingpraxis aussehen. Die Unterscheidung in moderierte und nichtmoderierte Groups erscheint mir sinnvoll, da die Moderatoren teilweise erheblichen Einfluß auf die Postingpraxis ausüben.
 
 

4.1. Allgemeine Newsgroups

In allgemeinen oder nichtmoderierten Newsgroups ist eine tatsächliche Durchsetzung der in der Charta festgelegten Ansprüche schwierig. Diskussionen über noch so passende Themen gleiten häufig in Nebensächlichkeiten ab, die dann schon mal "off-topic", nämlich gemäß der Charta thematisch unpassend sind, oder entwickeln sich ob der unvermeidlichen Mißverständnisse zu Streitereien (meistens über Semantik) oder sogenannten Flamewars, heftigen Schlagabtauschen, in denen sich die Benutzer mehr gegenseitig anfeinden als auf Argumente einzugehen.

Kontrolliert werden können diese Entgleitungen allein durch die anderen Benutzer, die bei groben Verstößen gegen Charta oder Netiquette den Verursacher anmahnen. Kommt dies trotzdem häufiger vor, müssen sich die Leser der Gruppe, die sich gestört fühlen, an den Systemadministrator des Störenden wenden und bitten, das etwas dagegen unternommen wird.

Unnötig zu sagen ist es, daß Beschwerden bei einer derartigen Regulierung völlig subjektiver Natur sein können und der eine Leser eher jemanden anmahnt, während ein anderer noch geduldig ist.

Durch den fast schon familiär zu nennenden Umgangston, der sich in manchen Newsgroups einstellt, da sich mit der Zeit viele der eingeschriebenen User näher kennen lernen, entstehen schon mal solche Beiträge, die zwar lustig sind, aber mit dem Thema der Gruppe und den Definitionen der Charta nur mehr wenig zu tun haben, also off-topic sind. Der Beitrag (10) entstand aus dem Thema über die Benennung der Sinti und Roma, den Ursprung des Wortes "Zigeuner" und daß man unter den Begriff meist die schmutzigen Bettler faßt – "Frauen und Kinder suedlaendischen Teints, die man auf der Strasse antrifft und die auch manchmal die Gelegenheit wahrnehmen, etwas aus Fremden Taschen zu entnehmen." (11) Auf die Frage hin, wie der Diskussionspartner (der hartnäckig auf der Verwendung des Wortes Zigeuner bestand), eine solche Person nenne würde, antwortete er mit "Dieb" und eventuell "Zigeuner", ebenso, wie er "Franzose" sagen würde, wenn der Dieb einen französischen Akzent aufwiese. Daraus entwickelte sich schließlich folgende Abschweifung:


Thema: Re: "Zigeuner" vs. "Sinti und Roma"
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Thu, 8 Apr 1999 23:31:42 +0200
Vorname Name(Name@IP-Adresse) meinte folgendes:
>Vorname Name < Name@IP-Adresse > writes:
>
>>Vorname Name:
>
>>> angeben, genauso wie ich "Franzose" sagen würde, wenn der Dieb "*ände
>>> *och" gesagt hätte.
>
>>Damit wäre er zum räuberischen Erpresser geworden.

Oder Räuber. Leider gibt der SV zur Klärung dieses Problems nicht genug
her ;-)

>>Was können eigentlich die Franzosen für Straftaten von Quebekern,
>>Wallonen und Welschschweizern?

Wallonen scheiden aus, weil er keine Fritten dabei hatte. Hmm, zu
Quebekern fällt mir leider gerade kein Vorurteil ein ;-)

>Ein Schweizer scheidet aus.
>Der haette eine Empfangsquittung ausgestellt.

Danke, der war gut ;-)))

Gruß, Vorname

     

Diese Diskussionsfolge (engl.: thread), entstanden aus der Fragestellung, wo die Redewendung "Bis zur Vergasung" ihren Ursprung nahm und ob sie von ehemals im Dritten Reich der Verfolgung ausgesetzten Völkergruppen falsch verstanden werden könnte, entwickelte sich über viele Beiträge zum Thema der korrekten Benennung der Sinti und Roma und ihrer Abneigung gegenüber der Bezeichnung "Zigeuner". Gemäß der Charta von de.etc.sprache.deutsch (wir erinnern uns: "Dies umfaßt Fragen und Antworten zu Grammatik, Rechtschreibung und Etymologie, schließt aber auch kontroversere Themen wie Übersetzungen, Sprachgebrauch, [...]nicht aus." (12)) entspricht diese und die anschließende Diskussion über Political Correctness und ihren Sinn in der Gesellschaft durchaus dem Inhalt der Newsgroup; die scherzhafte Debatte über die (hypothetisch) begangene Straftat und die Kalauer über andere französischsprachige Volksgruppen jedoch sind es ganz sicher nicht.

Folgendes Posting (13) aus derselben Gruppe zeigt ebenfalls ein off-topic-Thema an, jedoch ein markiertes und entstand aus einer Diskussionsfolge über die korrekte Benamsung der Einwohner Parmas:


Thema: Wie nennt man die Einwohner von Parma?
Von: Name@IP-Adresse
Datum: 25 Apr 99 16:38:45 GMT

Vorname Name schrieb in einer Nachricht an All:
> > > Aber wie nennt man die Einwohner von Parma?
> > MK> Man kann also sagen: Parmaer, Parmese.
> > Karthäuser? SCNR :-)))))))))))))))))))))))
>
> TH> Na wenn schon, dann "Kashäuser" ....
>
> Ich hatte eher an den Roman gedacht ;-]]]
>
TH> Hallo G'Kar!

Nein, nein, ich will nicht unseren großen spirituellen Anführer dadurch in
Verlegenheit bringen, daß ich seinen Namen benutze :-) G'Car mit C bot sich
allerdings an.

TH> So kommt man vom Parmesan zur Karthause und wieder zurück ....

100 Punkte :-))

TH> Off topic: Wann gibts wieder Babylon 5 im TV?

Pro7 plant wohl im Juni eine Wiederholung. Man konnte auf ihrer Website an
einer Abstimmung teilnehmen, welche es werden soll. Frag mich lieber nicht.
Ggf. nach de.rec.sf.babylon5.misc gucken.

Bye/7, Vorname

     

Der Schreiber gibt hier zu, mit seinem Thema nicht in die Group zu gehören, markiert dies jedoch, da er sich dessen bewußt ist. Vermutlich ist ihm bekannt, daß ein anderer Teilnehmer an der Diskussion ebenfalls über das unpassende Themengebiet Bescheid weiß.

Ein solches "Familiengefühl" entsteht in umoderierten und offen gefaßten Gruppen wie de.etc.sprache.deutsch häufig (wie oben erwähnt), da viele Teilnehmer sich durch den jahrelangen Kontakt bereits näher kennen und eventuell auch privaten (Mail-)Umgang miteinander aufgenommen haben, denn immerhin trifft man sich in der entsprechenden Gruppe ob eines gemeinsamen Interesses.

Diese Bekanntheit untereinander führt zu den aufgezeigten Scherzen, die aus dem selben Grund dann auch selten angemahnt werden – ein wenig Auflockerung wird allgemein akzeptiert.

Im Gegensatz dazu mahnen alteingesessene Mitglieder von Groups übelwollende Individuen, die sich weder an Netiquette noch an die Charta halten, gerne mit strafender Ironie ab, wie dieses weitere Beispiel aus de.etc.sprache.deutsch zeigt (14):


Thema: Re: CGI CGI CGI CGI CGI CGI !!!!!
Von: Name@IP-Adresse
Datum: 20 Apr 1999 00:00:00 +0000

Hallo, Vorname und der Rest!
Name@IP-Adresse meinte am 19.04.99 in /de/etc/sprache/deutsch
zum Thema "CGI CGI CGI CGI CGI CGI !!!!!":

> Hallo....wer kann gute CGI Scripts programmieren ?

Da Du Dich in eine Gruppe schummelst, die sich ueber die Spaesse der
deutschen Sprache und dessen, was wer auch immer dafuer haelt, beoelt,
muessen wir Dich wohl als Beitraeger solcher verstehen. Gut, ich nehme
Dich in diesem Sinne ernst.

> Ich brauche unbedingt ein Liga script bzw eine
> vollautomatische Rangliste mit Passwoertern und und und
> .......... Wer interesse hat (es sollte nicht allzuviel
> kosten) schicke mir eine mail: 3dmotorsports@gmx.de

Juxig finde ich Deine Behandlung der Interpunktion:
Machste ersma 'n Leerzeichen, laesste 's bleiben, setzte bei 'ner
Abkuerzung 'n Punkt, laesste 'n wech, hauste zwischen die Bestandteile von
'nem zusammengenagelten Nomen 'n Hymen (ablach!), pfeifste drauf, auch
egal, kommt in der Form jedenfalls gut.
Und was nicht zusammengenietet is', hau'n wer trotzdem an'ander, piss
drauf! Und was die Amis als Periode (ababablach!) bezeichnen, kann man
echt nicht lang genug gestalten.
Und gross und klein, ich finde auch, dass man sich darueber nicht lustig
genug machen kann.

Alles in allem: Auch die uebrigen Leser duerften sich koestlich amuesiert
haben. Willkommen in unserer Gruppe!

Ciao!

Vorname

     

Ein anderes Posting (15) aus einem Thread über einen unerwünschten Teilnehmer lautet folgendermaßen und bezeichnet gleichzeitig ein weiteres Medium, sich der ungewünschten Groupgenossen zu entledigen. Der Absender reagiert auf einen Beitrag, der wiederum ironisch mit einem User umgeht, der gegen die netiquette verstoßen hatte:


Thema: Re: ... (Anonymus)
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Sun, 04 Apr 1999 14:27:36 GMT

On Sat, 3 Apr 1999 23:55:04 +0200, Name@IP-Adresse (Vorname Name) wrote:

>BTW, was bedeutet Trerror Maker?
Oh, das ist kurz fuer "Ich beantrage die gebuehrenfreie Eintragung in
moeglichst viele Killfiles."

Name

     

"Killfile" bezeichnet die Fähigkeit vieler Newsreader, Beiträge, in denen besondere Wörter oder Bezeichnungen enthalten sind, auszufiltern. Das führt dazu, das derjenige, der diese Killfile mit der Email-Adresse des Störenfriedes aus obigem Thread eingerichtet hat, von ihm kein einziges Posting mehr zu sehen bekommt. Nehmen mehrere oder viele Gruppenleser einen Poster so in ihr Killfile auf, wird er im weiteren Verlauf schlichtweg für immer ignoriert.
 
 

4.2. Moderierte Newsgroups

In moderierten Newsgroups ist das Aufrechterhalten der Charta und der Nettiquette und damit der Ansprüche einer Group wesentlich leichter, als in unmoderierten. Enthält ein Posting zum Beispiel zu viel zitierten Text (ein Merkmal, das der Netiquette zuwiderhandelt), kann ein Teil davon von bestimmten Moderatoren entfernt werden (16):


Subject: Re: The physics of sex
From: Name@IP-Adresse
Newsgroups: sci.physics.research
Date: 6 May 1999 01:36:38 GMT
 

Hmmm... I was under the impression that some other countries had the world's
lousiest undergraduate education in Physics. My advice is don't miss the
opportunity and explain space groups and statistical physics through sex as
well, Sir.

In article < Message-ID >, "Vorname Name" < Name@IP-Adresse > wrote:
> I will soon give a talk with this title at the
> University of Delft here in Holland, for physics
> undergraduate students. (I plan to put the written
> version on my site in a few days.)
> The talk will summarize what laws of physics can be
> deduced when making love, in particular, on the way
> to deduce quantum mechanics and relativity.

[Moderator's note: Quoted text deleted. -TB]

     

Diese Handhabung wirkt der Unsitte entgegen, die von manchen Newsreadern automatisch eingestellte Zitierung des gesamten beantworteten Postings ungekürzt in der Antwort stehen zu lassen, ein Umstand, der auch in vielen unmoderierten Groups durch Mitleser beanstandet wird.

Manchmal greift der Moderator, wie hier in sci.physics.research (moderated) auch beratend oder ergänzend ein:


Subject: QM and QFT
Date: Thu, 6 May 1999 03:11:02 GMT
From: Name@IP-Adresse
Newsgroups: sci.physics.research

Can someone please refer me to some books that are not simply popular
expositions, but perhaps undergrad or early grad texts that clearly, and as
simply as possible explain quantum mechanics and quantum field theory?

I would be very appreciative!

Thanx a lot,

Vorname

[Moderator's note:
There's a good bibliography of physics texts in the FAQ:

USA:

http://math.ucr.edu/home/baez/physics/faq.html
http://www.public.iastate.edu/~physics/sci.physics/faq/faq.html
http://www.weburbia.com/physics/faq.html

UK:

http://hepweb.rl.ac.uk/ppUK/PhysFAQ/faq.html
http://www.weburbia.demon.co.uk/physics/faq.html

Netherlands:

http://www.xs4all.nl/~johanw/PhysFAQ/faq.html

Germany:

http://www.desy.de/user/projects/Physics/faq.html

Australia:

http://www.phys.unsw.edu.au/physoc/physics_faq/faq.html

Taiwan:

http://www.phy.ncku.edu.tw/mirrors/physicsfaq/faq.html

Japanese language version:

http://kekux1.kek.jp/~morita/phys-faq/

-MM]

     

Verstößt ein Thread oder ein Posting gegen die Charta, kann auch hier, je nach Moderationsart, der Moderator eingreifen (17):


>[Moderator's note: Further discussion of "mysticism as analytical tool"
>should go to e-mail or to another newsgroup. -MM]

     

In vielen moderierten Groups bekommt der Leser jedoch die eingreifende Hand des Moderators kaum zu spüren oder zu sehen: Wer selbst korrekt postet, ist nicht betroffen, verstoßen andere jedoch gegen die Charta, so daß ihre Postings zurückgeschickt werden, gibt es keine Äußerung davon in der Group.

So bleibt als einzig spürbare Wirkung dieser Moderatoren das deutlich themenbezogenere Arbeiten in solcherart moderierten Groups, in denen der Leser weniger Quatsch und Kalauer als fachliche Beiträge zu sehen bekommt.
 
 
 
 

5. Vor- und Nachteile von Newsgroups bezogen auf wissenschaftliches Arbeiten

Nach der Verdeutlichung von wesentlichen Merkmalen moderierter und allgemeiner Newsgroups und ihren Auswirkungen auf das Umgangsklima in selbigen, möchte ich nun zu den allgemeinen Vor- und Nachteilen von wissenschaftlicher Arbeit in Newsgroups kommen.
 
 

5.1. Öffentlichkeit & Verfügbarkeit

Eine jede Newsgroup ist all denen offen, die über einen Newsreader über Zugang zum Usenet verfügen (abgesehen von z.B. betriebsinternen Newsgroups o.ä.). Das in den Gruppen verbreitete Wissen ist also allen Usenetlesern auf der ganzen Welt zugänglich, so daß neue wissenschaftliche Erkenntnisse gemeinsam von Australiern, Amerikanern, Spaniern und Chinesen diskutiert werden können.

Probleme entstehen hier durch die unterschiedlichen Sprachen, denn wer kein Englisch spricht, wird auch nicht in einer britischen Gruppe shakespeare’sche Literatur diskutieren können. Durch die weite Verbreitung des Englischen als Weltsprache werden viele dieser Schranken jedoch aufgehoben, allein nicht alle regionalen Gruppen akzeptieren englisch- oder andere fremdsprachige Beiträge. Auch diese Angaben sind meist in der Charta festgelegt (zum Beispiel heißt die deutsche Gruppe de.etc.sprache.deutsch englischsprachige Postings ausdrücklich willkommen, siehe oben).

Weitere Beschränkungen erlegen die Serverbetreiber den Usenetkunden auf: Nicht alle Anbieter tragen auf ihren Servern auch alle Gruppen ein, manchmal fehlen sogar ganze Hierarchien.

Das Usenet demotisiert, ebenso wie das Internet selbst, das Wissen, macht es einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Durch aktuelle Diskussionen zum Beispiel erfahren auch solche Teilnehmer von den neuesten Entwicklungen, die nicht die entsprechenden Fachzeitschriften abonniert haben, und wem es in seiner Kleinstadt an Gesprächspartnern über sein Lieblingsthema mangelt, der findet in den Newsgroups sicherlich genügend Ansprechpartner, denn hier ist die ganze Welt Forum.

Die ganze Welt allerdings nur eingeschränkt, denn natürlich nur der Teil von ihr, der über einen Computerzugang verfügt, was in sogenannten Drittweltländern sicherlich kaum der Fall ist. Während der Kontinent Australien 71 Groups aufweist, existiert in der Hierarchie africa nur africa.news, eine gering frequentierte Gruppe, in der man auf Deutsche, Amerikaner, Australier und viel Werbung trifft – kaum auf Afrikaner.

Gerade diese Öffentlichkeit ist es auch, die die Wissenschaft auf der einen Seite fördert, auf der anderen Seite natürlich auch behindert. Während man sich in vielen Gruppen mit Forschern über ‚sein‘ Thema austauschen kann, kann dies auch die Konkurrenz tun, und so gerät die Entwicklung von wissenschaftlichen Theorien nur selten in ein so öffentliches Forum, wo sich jeder bedienen kann und behaupten könnte, daß er diese Arbeit selbst geleistet habe. Die unbegrenzte Zahl der Mitleser macht es unmöglich, geheime Forschung zu betreiben, gerade dieselbe hohe Teilnehmerzahl jedoch erschließt Wissenschaftlern ein unschätzbar großes Auditorium, in dem man meist zielsicher Antworten auf selbst die abwegigsten Fragen erhält (18):


Thema: Bretonisch
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Wed, 5 May 1999 19:14:04 +0200
Newsgroup: de.etc.sprache.deutsch

Vorname Name < Name@IP-Adresse > wrote:
> Ein Beispiel:
> In Frankreich geht man damit sehr viel lockerer um. Wieviele Menschen
> sprechen dort noch Bretonisch?

Wenige fliessend - Sehr alte Leute auf dem Lande sprechen es noch und
viele Unterrichtsstunden werden in regionalen Sprachen auf der Uni
gegeben. Es sieht aber oft wie künstliche Beatmung aus.
Ich weiss nicht einmal, wie gesprochenes Bretonisch klingt, obwohl ich
mich jedes Jahr dort einige Zeit aufhalte. Man kann es allerdings in
Volksliedern hören in verschiedenen typischen Bistros der Küste . Die
schrillen Klänge der 'binious' aber sind eine so richtige Nervensäge,
dass ich manchmal weghöre ;-)

>Und wie viele Menschen sagen mit stolz von
> sich: Je sui Breton, certement.

Manche sind ja stolz darauf und sagen es !

Kenavo - Vorname

     

Der Mangel an Infomationen über Qualifikation und Quellen, der hier auffällt, soll allerdings unter 6.2 Anonymität behandelt werden; wichtig ist, daß Behauptungen ohne Quellenangaben natürlich immer als persönliche Meinung gelten und auch unbedingt als solche betrachtet werden müssen.
 
 
 

5.2. Anonymität

Während viele Menschen, die an Newsgroups teilnehmen, dies über Universitäts- oder Firmenaccounts tun, bei denen Wert auf eine deutliche Identifizierbarkeit des Benutzers gelegt wird, sind auch Email-Adressen wie die von AOL, Compuserve oder Hotmail weit verbreitet, von denen man nicht notwendigerweise Rückschlüsse auf den Benutzer ziehen kann und wo sogar für ein und dieselbe Person verschiedene Adressen möglich sind. Namen wie ‚Seide98‘, ‚Rogana‘, ‚Gegi77‘ oder ‚Levulator‘ sagen häufig überhaupt nichts über die Personen aus, die sich dahinter verbergen, eine Tatsache, die auch gerne zur mutwilligen Täuschung über Identität oder Geschlecht benutzt wird.

Abgesehen von der Unüberprüfbarkeit der Aussagen des Gegenübers, auf dessen Wort man sich verlassen muß, fördert das Usenet ähnlich wie der Chat die Nähe durch Distanz. Diese merkwürdige Formulierung läßt sich dadurch erklären, daß die tatsächliche Distanz zwischen den Teilnehmern einer Diskussion das ungezwungene Miteinander erst ermöglicht. Dem Selbstbewußtsein eventuell abträgliche Merkmale wie Aussehen, Kleidung, Übergewicht etc. sind im Usenet nicht präsent, man hat zunächst eine virtuelle, optimale Vorstellung vom Gegenüber, bis man eventuell ein Photo zugesandt bekommt, bei dem aber wiederum nicht gesichert ist, daß es dem tatsächlichen Äußeren entspricht. Ängste und Unsicherheiten können hinter sich gelassen werden, man kann sozusagen mit jeder Email-Adresse von neuem anfangen und wird allein aufgrund seiner Äußerungen und der Art und Weise, wie man sich gibt, beurteilt.
 
 

5.3. Die Unüberprüfbarkeit von Behauptungen

Die Anonymität, die ein wesentliches Merkmal des Usenet ist, bietet sowohl Vor- wie auch Nachteile. Aus ihr resultiert (wie oben bereits angedeutet) die Unüberprüfbarkeit von Behauptungen. Für wissenschaftliches Arbeiten im Netz wäre zum Beispiel von Bedeutung, ob der Doktor der Psychologie tatsächlich einer ist, das ist nicht nur für die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen wichtig, sondern zum Beispiel auch für die Problemberatung via Usenet. Hier ist die Aussage über Geschlecht und Aussehen völlig irrelevant, aber ein jeder Teilnehmer, dessen Adresse zum Beispiel JohnCarter@aol.com oder ähnlich lautet, mag behaupten, er sei ein Psychotherapeut und sich anbieten, Menschen mit Problemen zu helfen. Mißbrauch und Betrug sind mögliche Folgen, wenn dafür auch noch Geld verlangt wird, ebenso wie schwere Schäden für die Behandelten.

Dieses Problem der Unüberprüfbarkeit resultiert manchmal in Konflikten mit einem Vorteil der Anonymität. Über das Usenet muß man sein Gesicht nicht zeigen, man kennt die Leute nicht, und, viel wichtiger, sie kennen einen selbst nicht, vielleicht wird man ihnen nie wieder begegnen. Unter solchen Umständen kann man seine Probleme eher offenbaren, als das manchem Menschen in einem persönlichen Gespräch oder mit einem Psychologen möglich ist.

Wie aber soll man nun urteilen? Einerseits weiß man nichts über die Person, wird auch niemals alles über sie wissen können, wenn man ihr nicht gegenübersitzt. Alles, was sie berichtet, könnte genauso gut gelogen sein. Auf der anderen Seite benötigt diese Person vielleicht in der Tat Hilfe, die zu verweigern ebenso schädlich sein kann.

Ein Beispiel aus sci.psychology.psychotherapy.moderated beleuchtet diese Problematik recht deutlich (19):


Thema: Ethical Violations?
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Thu, 01 Apr 1999 20:20:17 GMT

Last December I send an e-mail to my therapist's AOL account under the guise of
being sexually attracted to him. I was suicidal at the time and realize the
activity was wreckless to say the least. But over time I developed numerous
online relationships with him that all involved sexual contact. He sent very
provocative pictures of himself and I have masturbated to them. I sent online
porn photos for my identity.
I consulted with two therapists on this because it has caused a psychic
disturbance. One therapist told me to try to talk to him about it, the other
suggested that he relationship had been so contamintated that he advised that I
terminate. The latter therapist even went so far as to suggest that I had
legal recourse in the situation since my therapist shouldn't have been so
promiscuous.
However I feel I set him up.
I don't know what to do. Any suggestions would be greatlly appreciated.
Please e-mail me directly at Seide98@aol.com. I will appreciate your input.
By the way, I am no longer suicidal. A friend's death in January sort of
reieved the destructve element of my thoughts... grief, despite the pain, has
somehow saved me. What a paradox...

     

Hier bittet eine angeblich behandelte Person um Hilfe gegen ihren Psychologen, behauptet aber gleichzeitig, selbst schon zwei andere Therapeuten herangezogen zu haben. Trotzdem gibt sie vor, nicht zu wissen, was sie tun soll. Diese vordergründig so mitleiderregende Klage wurde in der Gruppe demzufolge auch widersprüchlich debattiert. Zur Verwirrung trug bei, daß mindestens ein weiterer neuer AOL-Account zur selben Zeit wie Seide98 auftauchte und vehement für sie argumentierte und vermutet wurde, daß dies einfach ein weiteres Alias der Person hinter Seide98 sei. Ein dritter AOL-Benutzer schließlich argumentierte gegen sie, ist aber in der Gruppe schon häufiger augetreten, so daß keine inhaltliche Verbindung nahegelegt wurde.

Eine Antwort auf Seide98s Frage (20):


Thema: Re: Ethical Violations?
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Mon, 19 Apr 1999 13:52:00 GMT

There's something very disturbing about this string. Not only are we without
the full details of this case, judgements have been fast and furious in what is
an increasingly disturbing trend among the psychological profession: that we
must protect one another for any and all ethical demands.
Seide's case reminds me of a situation in which I was seen by a client at a sex
club. It was a very uncomfortable situation and one that we spent weeks
discussing. But the end result was a more complete process. We realized we
were both human.
The puritanical aspects of our professional ideals are not realistic. Seide's
therapist may indeed have been indiscrete, no doubt. And Seide's interest was,
or seems to have been, prompted by an intense interest in the therapist. Where
exactly is the violation? At least Seide admitted the facts.
Shame on Seide? NO, shame on us. I can only assume there has been a strong
counter transference in this situation which has cause Seide a great deal of
confusion. There is a life behind the issue. The issue is not tantramount nor
is it insurmountable.

Interesting issue nonetheless.

Vorname Name, MFCC

     

Bei diesem Posting vermutete eine langjährige Teilehmerin der Gruppe, daß es sich nur um einen Zusatznamen unter AOL von Seide98 selbst handelt, doch Beweise dafür sind natürlich nicht zu erbringen.

Zusätzlich zu der Diskussion um die Echtheit dieser Anfrage entstand in sci.psychology.psychotherapy.moderated allerdings noch eine sehr fruchtbare Debatte um die Vorteile der Anonymität von Therapeuten im Internet und die ethischen Ansprüche, die man an diesen Berufsstand stellen sollte.
 

Ein anderes Beispiel von mutwilliger Verwirrung durch Anonymität im Netz zeigte sich in de.etc.sprache.deutsch, wo Verwirrung dadurch verursacht wurde, daß ein Teilnehmer Androhungen einer zweiten Person in der Gruppe veröffentlichte, der aber behauptete, seine (private) Email sei verfälscht worden. Ausgangspunkt war Kritik an den Gedichten der zweiten Person, die sie ausgesprochen übel aufnahm. Das dem vedrohten zu glauben war, stellte sich jedoch bald durch nähere Untersuchung heraus, denn der Glaube, daß man bei T-Online wirklich anonym ist, wenn man es nicht richtig anstellt, erwies sich als irrig (21):


Thema: Re: ... (Anonymus)
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Sat, 3 Apr 1999 23:55:04 +0200

Trerror Maker (Name@IP-Adresse) meinte folgendes:

Lieber Vorname W. aus H., alias irgendwas,
warum postest Du hier eigentlich anonym, wenn Du in anderen Newsgroups
Deinen Realname angibst und uns Deine Telefonnummer im Header gleich noch
mitlieferst?
Unter diesen Umständen sollte es Dir doch leicht fallen, Dich an die
Netiquette zu halten.

>BTW, was bedeutet Trerror Maker?

Gruß, Vorname

     

Diese Fehler im Konzept des selbsterklärten "Terror Maker" lassen darauf schließen, daß er ein Usegroup-Neuling ist und es das nächste Mal leider besser machen wird. Der (falsch geschriebene) Aliasname deutet zudem daraufhin, daß dieser Account (zumindest im Moment) allein zu dem Zweck benutzt wird, andere Usenetteilnehmer zu bedrohen, zu bedrängen und Terror zu verbreiten, Terror, den er selbst (laut dem Bedrohten) als "Telefon-Terror" bezeichnet (22):


Thema: ... (Anonymus)
Von: Name@IP-Adresse
Datum: 04 Apr 1999 00:00:00 +0000

Hallo allerseits, hi, Vorname!
Der schlechte Verlierer Vorname hat erneut zugeschlagen. Neuerdings
erhalte ich diverse Newsletters und sonstigen Mist, den er in meinem Namen
bstellt hat (s. Anhang). Da sind auch ein paar Mails, die ungefaehr 500mal
das Wort "Rache" bzw. die Woerter "Hast'e Probleme" enthalten. Ich glaube
nicht, dass Marcel Reich-Ranicki von den von ihm Kritisierten so einen
geistigen Durchfall ertragen muss. Das ist schon wieder ein Argument gegen
die absurde Annahme, dass Dominik ein Literat waere. Er ist schlicht und
ergreifend ein Idiot.
Mittlerweile hat er nach eigenem Bekunden (das habe ich nicht ausprobiert)
seine Adresse bei T-Online geaendert. Wovor hat er Angst?

Ciao!

Vorname
 

Hier Vornames Ankuendigung:

-------------------------------------------------------------

... Mir macht das Spiel auch Spass. Und dieser Spass beginnt jetzt erst
richtig, Arnulf. Denn ich bin an der Reihe. Ich kenne zum Beispiel
Deinen Vornamen und deinen Nachnamen. Da kommt mir doch direkt der
Begriff "Telefon-Terror". Mal gucken, wenn ich vielleicht Langeweile und
nichts besseres zu tun habe. Desweiteren habe koennte ich Dich bei
unzaehligen Newslettern eintragen. Auf die schnelle fallen mir schon ein
paar ein. Es steht auf jeden Fall fest, dass Du ab naechste Woche
regelmaessig informierende eMails bekommst. Ach, da fallen mir noch die
beruehmt-beruechtigten eMail-Bomben ein...

     

Diese Androhungen legen die kindische Vermutung nahe, daß der Absender zu viele Horrorfilme gesehen hat. Da allerdings ein Teil dieser Androhungen bereits wahr gemacht wurde, wie der Bedrohte bestätigt, handelt es sich hier tatsächlich um ein illegales Vorgehen, das zumindest der allgemeinen Netiquette scharf zuwiderhandelt.

Nach einer Anzeige bei T-Online und der Weiterleitung der Drohbriefen an den Provider wurde der Fall übrigens der Rechtsabteilung bei T-Online übergeben, ein Zeichen dafür, daß der Benutzer solchen anonymen Terroristen doch nicht schutzlos ausgeliefert ist – wenn sie sich immer so dumm anstellen, wie in diesem Fall.
 
 

5.4. Quellenangaben und Zitierung

Die Überprüfbarkeit von Behauptungen wird durch die Anonymität der Teilnehmer noch schwieriger gemacht, als dies in einer direkten Diskussion bereits der Fall ist. Ist der Teilnehmer wirklich ein Doktor der Germanistik? Meist lassen sich solche Fragen aber bereits durch einen Blick in die Postings beantworten, denn ein echter Wissenschaftler gibt bei jeder Behauptung Quellenangaben.

Das nicht alle Usenet-Benutzer tatsächlich derart ausgebildet sind, zeigt sich in der selten angewandten Praxis an diesem Beispiel aus de.etc.sprache.deutsch, in dem diskutiert wurde, ob "involviert" ein Anglizismus sei oder nicht (23):


Thema: Re: Involviert
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Fri, 23 Apr 1999 12:21:06 +0200
Vorname Name (Name@IP-Adresse) meinte folgendes:
>Vorname Name wrote:
>>
>> Vorname Name < Name@IP-Adresse wrote in message
>> Message-ID...
>> > Mit Anglizismus meine ich übrigens, dass das
>> > Wort aus dem Englischen ins Deutsche
>> > übernommen wurde, unabhängig davon, woher
>> > das Englische den Ausdruck kennt.
>>
>> Da das Deutsche diesen Ausdruck direkt aus dem Lateinischen übernommen
>> hat, ist er kein Anglizismus.
>>
>
>Dieses Bisschen Information fehlte mir noch. Ich danke Dir und
>allen Anderen, die mir wieder meinen Seelenfrieden geschenkt
>haben :-).

Allerdings lässt einen die fehlende Quellenangabe doch ein klein wenig
unbefriedigt zurück.

Gruß, Vorname

     

Dies ist übrigens hauptsächlich ein Problem von Newsgroups, deren Charta sie mehr als allgemeine Diskussionsforen ausweisen als als thematisch begrenzte Gruppen. In Foren mit enger wissenschaftlich gefaßten Chartas wird meistens korrekt zitiert, bzw. wird die Quellenangabe hinzugefügt. Da aber auch dort der Bildungsstand auf höchst unterschiedlichen Niveaus liegt und niemandem das Posten verwehrt wird, nur weil er keinen Doktor der Mathematik vorweisen kann, finden solche Vorfälle fast überall statt.

Moderierte Gruppen unterscheiden sich in dieser Hinsicht kaum von nichtmoderierten, da dies meist nicht in die Zuständigkeit der Moderatoren fällt. Tatsächlich wird ein solcher Mangel an Zitatangaben hauptsächlich bei der Diskussion von Theorien jedweder Materie wichtig. In mathematischen oder physikalischen Gruppen, in denen untereinander diskutiert wird, werden solche Verweise meist nicht gegeben:


Subject: Re: Difference Sets, I think....
Date: 05 May 1999 00:38:18 +0200
From: Name@IP-Adresse.no>
Newsgroups: sci.math

* Vorname Name
> In article <Message-ID>, Name@IP-Adresse wrote:
>
> > Here's the problem. I want to find two subsets, A and B,
> > of the integers modulo n-squared. Each of A and B has n elements.
> > The sums a+b where a is from A and b is from B exhaust all
> > n-squared possible values. (Sums taken modulo n-squared).
> >
> > I'm not interested in the obvious solution:
> > A={0, n, 2n, 3n, ... (n-1)n}
> > B={0, 1, 2, 3, ... n-1}
> >
> > And I'm aware that the obvious solution can be transformed by
> > adding constant offsets to A and to B or by multiplying all
> > the elements of A and B by k where k is relatively prime to n.
> > I'm not interested in these solutions either.
> >
> > The question is, are there any other solutions?
> >
>
> How about n = 3, A = {0, 3, 6}, B = {0, 1, 5} ?

B= {0,1,2} * 5

     

Hier werden einfach Lösungen angeboten, für die niemand eine Quelle nennt, da sie vermutlich selbst berechnet sind. Trotzdem bestehen Unsicherheiten, wie am Fragezeichen zu erkennen, die auch durch die letzte Antwort nicht ausgeräumt werden, da auch hier der Schreiber keine gesicherte Quelle nennt, sondern einfach eine Behauptung in den Raum stellt. Wissenschaftliche Arbeit ist allerdings nur auf der Basis von gemeinsamen Informationen und begründeten Standpunkten möglich, auch wenn hier gewisse mathematische Probleme eine Ausnahme darstellen, weil sie nachrechenbar bzw. beweisbar sind.

Nach dieser Diskussion der Vor- und Nachteile von Anonymität möchte ich zum Abschluß dieses Punktes noch auf die Auswirkung der Aufhebung der Anonymität zu sprechen kommen.

In fast jeder Gruppe lernen sich die Interessierten über einen längeren Zeitraum kennen, den sie in derselben Gruppe, manchmal sogar in mehreren themenverwandten, verbringen. Daraus resultiert persönlicher Kontakt, freundschaftlicher (oder abneigender) Umgang miteinander und Abschweifung. Hier ein Beispiel (24) aus de.etc.sprache.deutsch, wo zwei aus anderen Gruppen bekannten Usenet-Benutzer (wieder einmal) aufeinandertrafen:


Thema: Re: de.etc.sprache.deutsch
Von: lenafalk@aol.com (LenaFalk)
Datum: 08 May 1999 10:56:18 GMT

Im Artikel <Message-ID>, Vorname Name< Name@IP-Adresse >
schreibt:
>> In diesem Sinne: Gint es eine Charter zu dieser Newsgroup?
>>
>> Wenn ja, wo finde ich die?
>
>Du hier? Interessant.
>
>(...und schon verstieß er gegen die Charta...)
>

Vielmehr: Du hier? ;-)

Lena

     

Auch das bereits oben unter Durchsetzung der Ansprüche von Chartas gegebenes Beispiel (25), in dem zunächst über den Zusammenhang von Parmaesern mit Parmesan und Karthäuser geflaxt wird und schließlich eine moderne Fernsehserie besprochen wird, paßt in diesen Rahmen:


[...]
TH> Hallo G'Kar!
Nein, nein, ich will nicht unseren großen spirituellen Anführer dadurch in
Verlegenheit bringen, daß ich seinen Namen benutze :-) G'Car mit C bot sich
allerdings an.

TH> So kommt man vom Parmesan zur Karthause und wieder zurück ....

100 Punkte :-))

TH> Off topic: Wann gibts wieder Babylon 5 im TV?
Pro7 plant wohl im Juni eine Wiederholung. Man konnte auf ihrer Website an
einer Abstimmung teilnehmen, welche es werden soll. Frag mich lieber nicht.
Ggf. nach de.rec.sf.babylon5.misc gucken.

     

Da ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl aber über kurz oder lang in jeder Newsgroup entsteht, in der die Teilnehmer länger miteinander kommunizieren, beeinflußt es das Klima der Gruppe beträchtlich. In mancher Group ist ein solch familiärer Umgang willkommen, andere versuchen, ihn zu vermeiden – erreicht werden kann das durch eine engere Definition der Charta und eventuelle Moderierung der Gruppe.
 
 

5.5. Qualität vs. Quantität

Die Frequentierung von Newsgroups stellt sich von Group zu Group völlig unterschiedlich dar. Während de.etc.sprache.deutsch in acht Tagen etwa 580 Eingänge zählt, sind es bei sci.physics.research (moderated) nur 170, bei sci.math dagegen mehr als 1500.

Eine nähere Untersuchung ergibt nun, daß in diesen Gruppen die Verteilung von gehaltvollen, on-topic geschriebenen Mitteilungen in keinem Verhältnis zum Umfang der Postings steht. Tatsächlich besteht eine Verbindung zu den Themen der Group und der Menge der Beiträge.

Hier soll wieder de.etc.sprache.deutsch als Beispiel für eine offene Gruppe dienen. Die einzige Beschränkung der Charta auf das Thema "Deutsche Sprache" läßt hier alle Spielräume offen. Aktuelle politische Tehmen halten Einzug durch die kritische Diskussion über Kriegsvokabular wie "Luftschläge", "Kollateralschaden", Vorschläge über ein deutsches Internet-Vokabular (I-Brief statt Email, I-Seite statt Homepage etc.) führen zu hitzigen Auseinandersetzungen zur Begrifflichkeit des Internet versus WorldWideWeb, die auch sogleich zu einem Thread zur Definition des Internet führt – eine Fragestellung, die gemäß der Charta kaum noch on-topic zu nennen ist.

Alle anderen Newsgroups, die ich näher untersucht habe, wiesen solche Abgleisung in keiner Weise auf. Daß der Grund hierfür natürlich auch im Themenhorizont der Gruppen zu suchen ist, liegt auf der Hand, denn mathematische oder physikalische Diskussionen erlauben nun einmal kein Ausweichen auf ein derartiges Spektrum, wie es die Diskussion des modernen deutschen Sprachgebrauchs zuläßt, die quasi mit jeder politischen Umwälzung einhergeht.

Allein sci.psychology.psychotherapy.moderated bot hier einen Zwischenwert in der Diskussionsfolge "Re: Effectiveness of debriefing in trauma (Nancy)", in der Charakteristika von jugendlichen Massenmördern an amerikanischen Schulen aufgelistet wurden, also offensichtlich eine Reaktion auf das Massaker an der Columbine Highschool in den USA.

Je enger gefaßt das Thema, je mehr es mit toten bzw. abstrakten Dingen zu tun hat, desto weniger besteht also die Gefahr, mit Mitteilungen in der Group unerwünscht zu sein. Auf der anderen Seite lebt eine Gruppe wie de.etc.sprache.deutsch von solchen Beiträgen, da der Einbezug des Sprachgebrauchs im täglichen Leben definierter Teil der Charta ist.
 
 
 
 

6. Die Praxis wissenschaftlichen Arbeitens im Usenet

Nach den vielen negativen Beispielen möchte ich nun zu einigen positiven Durchführungen von wissenschaftlicher Arbeit um Usenet kommen. Wissenschaftliche Arbeit bedingt erkenntnisorientierte Arbeit, wozu auch der Diskurs über fachspezifische Fragestellungen gehört.

Diese Haltung ist im Usenet in der Praxis tatsächlich nicht sehr weit verbreitet, da die Diskussionen meist spielerisch sind und nebenbei entstehen, aus dem täglichen Leben Fragestellungen entnommen werden, die dann zur Überprüfung der Newsgroup-Öffentlichkeit unterbreitet werden.

Das folgende Beispiel (26) aus de.etc.sprache.deutsch zeigt, daß auch dort fachmännisch-wissenschaftliches Arbeiten möglich ist, in diesem Fall über Sprachwissenschaft und Ausspracheprobleme von deutschsprechenden Ausländern. Der Initiator bat um die Erläuterung der Aussprache von –er am Wortende, wie etwa in Vater und bitter:


Thema: Re: er oder a
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Tue, 27 Apr 1999 21:14:04 +0200

Vorname Name schrieb:
> Das "r" ist von allen Konsonanten der interessanteste, weil
> es nämlich sehr unterschiedlich ausgesprochen wird und
> dennoch alle Varianten von allen verstanden werden.

Das <r>, daß du meinst, ist ein Graphem und kann daher weder ein Vokal
noch ein Konsonant sein. ;-) Diese Frage stellt sich erst bei der
Schrift-Laut-Zuordnung. (Oder fachmännischer: nach der
Graphem-Phonem-Korrespondenz.)
>
> Die Endsilbe "-er" wird auch sehr unterschiedlich
> ausgesprochen. "Standardsprachlich" ist es ein vokalischer
> Laut, ziemlich tonlos und kurz, dem "a" ähnlich.

Ein Vokal zwischen Schwa und (offenem) "a", aber in der Tat näher bei
letzterem. (Silbisches "r".)

> Im Süddeutschen ist der vokalische Anteil schwa-ähnlich,
> dazu ein recht gutturales r.

Sprichst du bei "bitter" (<-er> am Silbenende) tatsächlich ein
konsonantisches "r"? Ich als Franke jedenfalls nicht. Gesprochen wird
der Konsonant "r" vor allem in den südosteurop. Dialekten des Deutschen
(v.a. Siebenbürgisch; wer einen Deutschrumänen kennt, weiß, wovon ich
spreche.) und von Ungarn und Rumänen, die deutsch sprechen.

Grüße,

Vorname

     

Dieses Posting gibt eine verständliche wissenschaftliche Erläuterung zu der Fragestellung, ebenso wie der lange Thread dazu in der Lage war, einigen ausländischen Mitlesenden aus de.etc.sprache.deutsch die Tatsächliche Aussprache von –er = –a zu verdeutlichen.

Auch das folgende lange Posting (27) aus sci.math zeigt auf, wie im Usenet gemeinschaftlich an Theorien oder Beweisen gearbeitet werden kann, gleichzeitig aber auch, daß der mangelhafte Zeichensatz zu Problemen der Darstellung führen kann (ein Grund, weshalb ich das Posting in Courier wiedergebe). Einer der Teilnehmer stellte ein Problem auf, auf das viele Antworten folgten, bis schließlich eine Lösung gepostet wurde:


Subject: Re: Given a circle C whose diameter lies completely within the unit circle x^2+y^2=1....
Date: 1 May 1999 21:38:24 GMT
From: Name@IP-Adresse
Newsgroups: sci.math
In article <Message-ID, Vorname Name <Name@IP-Adresse wrote:
@In article <Message-ID, Name@IP-Adresse wrote:
@
@ Let U denote the unit circle x^2+y^2=1 and take a circle C at random whose
@ diameter lies intirely within U,
@    **** What is the probability that C and U do not intersect?
@
@To solve the no-intersection problem, first you should specify more
@explicitly how C is chosen at random. I will assume that both end points
@(x1,y1) and (x2,y2) are independently chosen at random inside U.
@
@The equation of U is U = 0 with
@
@                                   2    2
@                             U := x  + y  - 1
@
@and that of C is C = 0 with
@
@                          2                        2                    2
@C := (x - 1/2 x1 - 1/2 x2)  + (y - 1/2 y1 - 1/2 y2)  - (1/2 x2 - 1/2 x1)
@
@                        2
@     - (1/2 y2 - 1/2 y1)
@
@We want the solutions to this system. Subtracting the U from C equation
@gives rise to a linear one (the squares cancel out). Use this to
@substitute y in terms of x in the first equation:
@
@                       -x x1 - x x2 + x1 x2 + y1 y2 + 1
@                   y = --------------------------------
@                                   y1 + y2
@
@and get
@
@   2               2     2     2             2
@(x1  + 2 x1 x2 + y2  + x2  + y1  + 2 y1 y2) x
@
@     - 2 (x1 + x2) (x1 x2 + y1 y2 + 1) x
@
@     + (x1 x2 + 1 - y2 - y1 + y1 y2) (x1 x2 + 1 + y2 + y1 + y1 y2) = 0
@
@which is a quadratic equation in x. There will be two real roots if and
@only if its discriminant is positive (we're already certain that they'll
@be on U: as soon as x is real, so is y, which is a linear function of it).
@
@This discriminant is given by:
@
@            2
@-4 (y1 + y2)
@
@        2     2   2                     2         2   2     2     2
@    (-y2  + y1  y2  + 2 x1 x2 y1 y2 - y1  + 1 + x1  x2  - x2  - x1 )
@
@and we only look at the third factor. Introducing polar coordinates, we get
@
@                 2         2                          2     2
@          (1/2 r1  + 1/2 r1  cos(-2 t1 + 2 t2) - 1) r2  - r1  + 1
@
@Now we use the fact that only the difference t1 - t2 of angular
@coordinates occurs to set, without loss of generality, t2 = 0 (the whole
@problem is invariant under rotation). This gives the following upper limit
@for r2:
@
@                               /      2         \1/2
@                               |    r1  - 1     |
@                      r2lim := |----------------|
@                               |  2        2    |
@                               \r1  cos(t1)  - 1/
@
@
@Finally to get the probability we integrate r1 * r2 / Pi^2 over the domain
@0 < r2 < r2lim, 0 < t1 < 2*Pi, 0 < r1 < 1, 0 < t2 < 2*Pi, or, since t2
@does not occur, 2 * r1 * r2 / Pi over the domain 0 < r2 < r2lim, 0 < t1 <
@2*Pi, 0 < r1 < 1. These are good integration exercises. :^) The result is
@2/3 (for no intersection).
@
@The probability for a single intersection is zero. That for two
@intersection points is then clearly 1/3.
@
@The following Maple code does all of this:
@
@    U := x^2 + y^2 - 1;
@    C := (x - 1/2*x1 - 1/2*x2)^2 + (y - 1/2*y1 - 1/2*y2)^2
@         - (1/2*x2 - 1/2*x1)^2 - (1/2*y2 - 1/2*y1)^2;
@    yfromx := solve(C - U, {y});
@    tmp := subs(yfromx, U);
@    tmp := collect(numer(tmp), x, factor);
@    tmp := factor(discrim(tmp, x));
@    tmp := factor(- 1/4*tmp/(y1 + y2)^2);
@    tmp := collect(simplify(subs({x1 = r1*cos(t1), y1 = r1*sin(t1),
@        x2 = r2*cos(t2), y2 = r2*sin(t2)}, tmp)), r2);
@    tmp := simplify(subs(t2 = 0, tmp));
@    r2lim := sqrt(solve(tmp, r2^2));
@    assume(r1 < 1, 0 < r1);
@    int(int(int(2*r2*r1/Pi, r2 = 0 .. r2lim), t1 = 0 .. 2*Pi), r1 = 0 .. 1);
@
@Paranoid people who have drand48 can use this C program to verify that
@it's really 2/3:
@
@#include <math.h
@#include <stdio.h
@#include <stdlib.h
@#include <time.h
@
@int
@main (void)
@{
@  long i = 0;
@  long s = 0;
@  long m;
@  srand48 (time (NULL));
@  for (m = 1;; m *= 2)
@    {
@      for (; i < m; i++)
@        {
@          double x1;
@          double y1;
@          double x2;
@          double y2;
@          double xc;
@          double yc;
@          double r;
@          do
@            {
@              x1 = 2 * drand48 () - 1;
@              y1 = 2 * drand48 () - 1;
@            }
@          while (x1 * x1 + y1 * y1 1);
@          do
@            {
@              x2 = 2 * drand48 () - 1;
@             y2 = 2 * drand48 () - 1;
@            }
@          while (x2 * x2 + y2 * y2 1);
@          xc = (x1 + x2) / 2;
@          yc = (y1 + y2) / 2;
@          r = sqrt ((x2 - x1) * (x2 - x1) + (y2 - y1) * (y2 - y1)) / 2;
@          if (sqrt (xc * xc + yc * yc) + r < 1)
@            s++;
@        }
@      printf ("%ld %f\n", i, (double) s / i);
@    }
@  return 0;
@}
@--
@Vorname Name - Name@IP-Adresse
        And for those who like geometric reasoning:
        Call the random points  M, N.  Fix  M;  find  K  on the unit circle
U  s.t.  MK  is orthogonal to  U's  diameter through  M.  _Claim_ ("I say
that..."  in Apollonius's parlance!):  the probability of "N  yields a circle
not intersecting  U"  is  = |MK|.   (E.g.  1  for M = O, center of  U).
        [Proof:  Circles through  M  tangent to  U  have centers  R  on the
ellipse  |RM| + |RO| = 1;  so their  Ns  lie on an ellipse  |NM| + |NM'| = 2,
with major axis the diameter through  M.   The minor axis is then equal in
length to  MK.  Thus  (ellipse area)/(circle area) = |MK|.]
        Now, to integrate out the overall  P(no intersections),  erect  MI
orthogonal to U's plane s.t. |MI| = |MK|.  As  M  varies,  I  lies on the unit
hemi-sphere over  U.  The volume enclosed by the latter, as a fraction of the
volume of the surrounding unit-height cylinder, is  2/3.
        ( 2/3 pi 1^3 / pi 1^2 1, in our lingo.  Of course Archimedes proved
directly that sphere and cylinder, w.r.t. volume as well as area, stand in
ratio  2/3.)

Vorname

     

Inklusive Beweisführung und Rückführung des Themas auf Archimedes (quasi als Quellenangabe), verschiedener Lösungswege und der Beifügung eines Programmes zum Nachprüfen der Behauptung findet hier ein wissenschaftlicher Interkurs statt, der in der Gruppe allgemein positiv aufgefaßt wurde. Selbst wenn Fehler enthalten sein sollten, so findet hier doch der Lernprozeß zur Bearbeitung von mathematischen Problemen statt, der in einer Lösung enden kann.

Trotzdem bleibt ein solcher wissenschaftlicher Austausch doch eher die Seltenheit unter den Beiträgen einer Newsgroup. Viel eher entstehen Diskussionen interessehalber, oder die gewünschten Informationen werden per Internet-Adresse angegeben, wie in sci.psychology.psychotherapy.moderated geschehen (28), wo eine Diskussion über Kundentherapie per E–Mail stattfand, anhand der immer größer werdenden Online-Gemeinde ein für die Psychotherapie sicherlich interessantes Thema:


Thema: Re: Client contact by email Von: Name@IP-Adresse
Datum: Fri, 09 Apr 1999 14:09:27 GMT
Vorname G. wrote:
> I would very much appreciate hearing how other therapists are integrating
> email into their practice.
Vorname Nachname replied:
> Joan - I don't allow client contact by Electronic Mail. E-mail is not a
> sufficiently secure form of communication for me to maintain the confidences of
> the client or of other persons who may be identified in what becomes part of
> the client's record.

I would encourage anyone considering doing this to read
an article I recent wrote on the topic:

BEST PRACTICES in ONLINE PSYCHOTHERAPY
Confidentiality & Privacy
http://psychcentral.com/best/

While the title suggests the article is only for people
looking to practice cybertherapy, it indeed notes the
numerous problems with confidentiality and privacy with
respect not only to the online world, but in the real
world as well (limits I think clinicians often forget
or overlook).

We shouldn't look to hold online contacts with clients to
some higher, unattainable standard than what we currently practice in
the real world. Instead, we should look to apply the same sound
principles of common sense to all such contacts.

Vorname

     

Derartige Verweise für Informationssuchende finden häufig, anders als hier geschehen, unkommentiert statt, wenn zum Beispiel in de.etc.sprache.deutsch Sekundärliteratur gesucht wird, in sci.math gute Lehrbücher empfohlen werden oder in sci.physics.research (moderated) eine Anfrage zu neuen Forschungsberichten beantwortet wird.

Abschließen möchte ich diesen Punkt mit einem Beispiel (29) aus einem Thread aus de.etc.sprache.deutsch, in dem eine Leserin eine Umfrage bezüglich häufiger deutscher Sprachfehler startete. Die vielen Antworten waren durchweg hilfreich und on-topic, beschäftigten sich jedoch schließlich auch mit der Frage, inwieweit die häufig genannten dialektischen Eigenheiten als Fehler anzusehen seien oder nicht.


Thema: Re: Suche deutsche Sprachfehler
Von: Name@IP-Adresse
Datum: Fri, 30 Apr 1999 14:28:06 +0200

Am Thu, 29 Apr 1999 22:55:40 GMT schrieb Vorname Name:
> > Ich suche häufige von Muttersprachlern begangene Fehler oder
> > Unsitten im geschriebenen und/oder gesprochenen Deutsch.
>
> entgültig, aber auch
> Entgeld

Aus meiner "Internet"-Bestenliste:
Addresse
automagisch
detailiert
drinn
'eh
eh´
eigendlich
gehöhrt
intollerant
meißten
mieserablen
neumodigen
persöhnlich
Rätzel
vieleicht
währe
warscheinlich

Vorname

     

Dieser Beitrag legt zudem nahe, daß moderne deutsche Sprachfehler stark durch die Internet-Kultur geprägt werden und eröffnet so ein neues Feld der Diskussion.

Mit seiner großen Anzahl an Beiträgen zeigte dieser Thread die Hilfbereitschaft und das Interesse an einer solchen Untersuchung an, die jedoch von der Fragestellerin leider nach der Initiation der Diskussion alleingelassen wurde, was auch von einem User negativ bewertet wurde (30):


Thema: Re: suche deutsche sprachfehler
Von: name@IP-Adresse
Datum: 7 May 1999 00:11:54 GMT

Vorname Name <Name@IP-Adresse> wrote:
> Ich suche häufige von Muttersprachlern begangene Fehler oder Unsitten im
> geschriebenen und/oder gesprochenen Deutsch.

Eine leider weit verbreitete Unsitte, speziell in dem in Newsgruppen
geschriebenen Deutsch, ist es, Threads zu initiieren, ohne dann ihren
weiteren Verlauf zu verfolgen ;-)

Tschüs,

Vorname

     

In diesem Fall liegt es also nicht an der Newsgroup, daß der wissenschaftliche Austausch stattfand, bei der Initiatorin aber vermutlich nicht zu dem erwünschten Ergebnis führte.
 
 
 
 

7. Wechselwirkungen Medium/Kommunikation

Jedes Medium beeinflußt auf seine Art und Weise die wissenschaftliche Arbeit, die über es stattfindet. Während man am Telefon keine Graphiken oder Bilder austauschen kann, findet der Datenaustausch per Brief sehr langsam und schleppend statt, ohne direkte Interaktion. Newsgroups wirken sich durch ihre Merkmale ebenso auf ihre Art auf die getragene Information und den Informationsaustausch aus.

Zunächst beeinträchtigt die Unsicherheit des Mediums die Arbeit beträchtlich, da Bestandteile des Datenaustausches verloren gehen können. Sei dies durch den Verlust eines Postings, der eine Diskussion zum Erliegen bringen kann, oder durch den Verlust des Usenet-Zuganges eines der Diskussionspartner, so daß dieser vielleicht über Wochen nicht in der Lage ist, weiter an dem Austausch teilzunehmen. Ausgeglichen wird dieser letzte Punkt zumindest teilweise über die Usenet-Archive wie Dejanews oder Altavista, in denen noch Monate, teils Jahre später die meisten Daten gesammelt bleiben.

Usenet-Arbeit wird auch, ähnlich wie der Austausch über die Brief-Post, durch Zeitzonen und den Wochenablauf behindert, denn wenn die Diskussionspartner einem verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus folgen, ist zeitliche Verschleppung eine unausweichliche Folge. Gleiche Auswirkung hat zum Beispiel ein Urlaub, sei dies nur für ein Wochenende oder längere Zeit.

Auf der anderen Seite kompensiert das Usenet diese Verzögerung, da schnellster Austausch selten nötig ist. Jedes Posting, daß die einzelnen Teilnehmer über ihren Newsreader empfangen, wird von ihnen schließlich als gerade erhalten bewertet, sei dies nun einen Tag oder eine Woche alt. Da die Daten erhalten bleiben und von jedem Diskussionsteilnehmer zu einem Zeitpunkt seiner Wahl bearbeitet werden können, kann es sein, daß noch nach vielen Wochen interessante Beiträge zu einem Thema gesendet werden, die die dann vielleicht bereits erloschene Diskussion wieder neu beleben.

Ein unvergleichliches Merkmal des Usenet ist sein großes Forum. In deutschen Gruppen erreicht man so vielleicht Experten von Flensburg bis München, die zu dem gewünschten Thema Auskunft geben können, in jedem Fall ist das Auditorium aber größer, als wenn man in der örtlichen Tageszeitung annonciert oder an der eigenen Universität Informationen einholt. In englischsprachigen Gruppen erweitert sich der Kreis sogar noch um ein Vielfaches, da man nun tatsächlich einen Mitleserkreis aus aller Welt erreicht. Auswirkung davon ist ein nahezu unerschöpflich großer Wissenspool, der den Teilnehmern des Usenet zur Verfügung steht und die Wahrscheinlichkeit vergrößert, daß jemand mit der gewünschten Information aufwarten kann, oder an einer (z.B. mathematischen) Untersuchung teilnehmen möchte.

Negative Einwirkung hat dieses große Forum allerdings häufig auf die Diskussionstiefe der bearbeiteten Themen: Das Kommen und Gehen von Mitwirkenden in den Newsgroups führt unausweichlich zu periodischen Wiederholungen, da ein gerade eingeschriebener Benutzer nicht wissen kann, daß vor zwei Monaten eine ähnliche Diskussion wie die, die er anregen möchte, bereits geführt wurde. Solchen Wiederholungen versucht man meistens mit der FrequentlyAskedQuestions-Liste (kurz FAQL) vorzubeugen, indem man dort die häufig gestellten Fragen im Voraus beantwortet und regelmäßig in die Gruppe postet. Es gehört zum guten Ton, sich neben der Charta auch die FAQL zu verinnerlichen, bevor man in einer neuen Newsgroup postet.

Trotzdem besteht im Usenet eine Tendenz zum Wissensausgleich statt Wissensvermehrung. Dies resultiert einerseits aus der Durchmischung der Qualifikation der Teilnehmer, die natürlich nicht in Gruppen für Anfänger, Fortgeschrittene und Experten unterteilt sind, sondern alle in derselben Gruppe lesen und schreiben. Zwar bemühen sich viele Gruppen bereits in der Charta klarzustellen, daß man nicht wünscht, als Lexikon oder Nachschlagewerk mißbraucht zu werden, gänzlich vermieden werden kann eine solche ‚Verflachung‘ des Anspruches jedoch nicht.

Ebenso führt die oben erwähnte Fluktuation unter den Teilnehmern dazu, daß wenig Drang zur Diskussionstiefe vorherrscht, ständig ähnliche, populäre Themen aufs neue aufgebracht werden und Anfänger meist weder von Charta noch FAQL etwas wissen.

Ein weiteres unverwechselbares Merkmal von Newsgroups mit Auswirkungen auf die Diskussionen sind die Threads, die Diskussionsfolgen. Aufgrund dieser Struktur ist es jedem Teilnehmer einer Diskussionsfolge natürlich nur möglich, auf das Posting genau einer anderen Person zu antworten. Selbstverständlich könnte man diverse Punkte von verschiedenen Leuten zusammenfassend in einem Posting beantworten, dies wird in der Regel allerdings nicht durchgeführt. Also entstehen so verschiedene Threads, in denen sich viele verschiedene Postings auf ein und denselben Ausgangsbrief beziehen, auf die dann wieder von vielen verschiedenen Usern geantwortet wird, etc. Resultat ist eine große Lawine von Postings, in der man auch schon mal aneinander vorbeiredet, da vielleicht ein wichtiger Punkt nicht in dem Posting steht, auf das man sich gerade bezieht und so leicht der Überblick verloren geht.
 
 
 
 

8. Fazit

Ist also wissenschaftliche Arbeit in Newsgroups möglich? Die Antwort muß differenziert ausfallen. Zunächst einmal ist sie sicherlich möglich, aber nicht immer tatsächlich auch erwünscht. Ist sie jedoch erwünscht, hängt die Durchsetzung dieses Anspruches direkt von Thema, Definition der Charta und Moderationsstatus der Gruppe ab, sowie von der Disziplin jedes einzelnen Teilnehmers.

In Gruppen mit bereits in der Charta enger definierten Themengebieten, die sich mit einer deutlich abgegrenzten Materie beschäftigen, hat sich konzentriertere Arbeit entwickelt (sci.psychology.psychotherapy.moderated), als in Gruppen mit absichtlich offen gehaltenem Rahmen (de.etc.sprache.deutsch). Ebenso zeigte sich, daß das Arbeitsklima in moderierten Gruppen (sci.physics.research (moderated)) durch die Überwachung von Netiquette und On-topic-Diskussionen fruchtbarer ist, als in unmoderierten (sci.math).

Die allgemeinen Merkmale von Newsgroups bieten der wissenschaftlichen Arbeit also Vorteile und Nachteile, zwischen denen sorgfältig abzuwägen gilt. Der große Kreis der Mitarbeiter auf der einen Seite versus geringe Tiefe und Unkonzentriertheit auf der anderen Seite mag der einen Arbeit nützlich, der anderen jedoch nur abträglich sein.

Vielen Gruppen fehlt die Erkenntnisorientiertheit, die für wissenschaftliche Arbeit so wichtig ist, da die meisten eingeschriebenen Benutzer die Diskussionen als Hobby betrachten. Wird allerdings der Versuch von zielgerichtetem, wissenschaftlichem Austausch gemacht, sind die Reaktionen meist positiv und hilfreich.

Ansonsten wird das Usenet trotz seiner Potentiale meist nur als Wissenspool bei der Informationssuche benutzt, selten als Medium zur wissenschaftlichen Arbeit der Teilnehmer miteinander.

Abschließend bleibt zu sagen, daß das Usenet trotzdem auf seine Art und Weise inzwischen zu einem unverzichtbaren Medium der wissenschaftlichen Arbeit geworden ist, sei dies in bezug auf Meinungsaustausch, Informationsbeschaffung oder gemeinschaftliches Arbeiten. Ausschließlich über das Usenet zu arbeiten, schließt sich sicherlich ob der oben genannten Nachteile aus, doch als Ergänzung für die Informationssuche und den Austausch mit anderen Experten ist es sicherlich sehr sinnvoll.

Es ist aus der Landschaft der modernen Medien nicht mehr wegzudenken.
 
 
 
 

9. Literaturangaben

  1. Falkenhagen, Lena und Svenja Landje, (1998). Newsgroups im Internet. [http://www.mediensprache.net/networx/networx-1.pdf]
  2. Computer Network: http://register.cnet.com/Resources/Info/Glossary/Terms/newsgroup.html
  3. Handelskammer Aachen: http://www.aachen.ihk.de/Glossar/gl_n_new.htm
  4. Charter of sci.psychology.psychotherapy.moderated: http://www.grohol.com/sppm/
  5. Charta der Newsgroup de.etc.sprache.deutsch: <deutsch-faql.19980822@babylon.pfm-mainz.de> unter http://www.deja.com/
  6. de.etc.sprache.deutsch
  7. sci.math
  8. sci.physics.research (moderated)
  9. sci.psychology.psychotherapy.moderated
  10. alt.math.moderated


 
 

Fazit
 

Ergänzend zu den Zusammenfassungen der einzelnen Kapitel bleibt rückblickend festzuhalten, daß sich die Wissensvermittlung im Zeitalter der Datennetze verändert und neue Lern-, Forschungs- und Informationsstrukturen mit sich gebracht hat. Ständig wachsende Informations- und Wissensmengen erfordern neue Methoden des Informationsaustausches und der Wissensvermittlung; Online-Zugriffsmöglichkeiten auf Datenbanken, Literaturrecherche über Online-Bibliothekskataloge, langfristige Recherchestrategien, um sich auf dem Laufenden zu halten (Newsgroups, Mailinglisten und E-Zines), der Austausch von Wissen und Präsentation von Forschungsergebnissen per Email demotisieren und globalisieren den Wissenserwerb.

Neue Medien bestimmen die Forschungsinhalte und bringen eine Neudefinierung von Forschungszielen und –Methoden mit sich. Die weltweite Zusammenarbeit wird gefördert, komplexe Sachverhalte und schnelle Veränderungen machen interdisziplinäre Kooperationen zur Lösung der Probleme unserer modernen Gesellschaft. Gleichzeitig erschweren eine unübersichtliche Fülle von Texten und die Unzuverlässigkeit und Unüberprüfbarkeit von Zitaten und Informationen die wissenschaftliche Arbeit. Des weiteren behindern die Nichtverfügbarkeit von vernetzten Rechnern und die Dominanz des Englischen im Internet die Internationalisierung in einigen Regionen der Welt.

In der Euphorie über das Internet und seine vielfältigen Möglichkeiten wird gern auch übersehen, daß persönlicher Kontakt und Face-to-face-Kommunikation ebenfalls wichtige Bestandteile wissenschaftlichen Arbeitens und Lernens sind, auf die kaum verzichtet werden kann.

Alle drei Arbeiten kamen zu dem Ergebnis, daß das Internet eine sinnvolle Ergänzung zu wissenschaftlicher Recherche, Arbeit und Forschung darstellt, jedoch kaum den Anspruch auf Ausschließlichkeit beim Wissenserwerb erheben kann. Zwar bringt dieses Medium neben den Vorteilen auch unübersehbare Nachteile für die Wissenschaft mit sich, jedoch muß jeder einzelne für seine individuelle Arbeit die Entscheidung treffen, ob der Nutzen überwiegt. Die großen Chancen, die diese Art der Kommunikation und der Informationsvermittlung für die zukünftige Entwicklung der Wissenschaft bereithält, sollten wir uns nicht durch Technik-Feindlichkeit und dem Festhalten an alten Dogmen verstellen.